HANSRUDI WÄSCHER

Oder: Die Kunst der ewigen Wiederkehr

1953 ist ein verrücktes Jahr. Ganz wie es die Jahre zuvor auch waren, und ebenso, wie es die kommenden sein werden. Der Krieg, der sechzig Millionen Tote gefordert und ganze Städte in Trümmerfelder verwandelt hat, liegt jetzt acht Jahre zurück. Und seit acht Jahren schon dauert der nächste an. Diesmal ist es ein Crash der Weltanschauungen, zu dem der amerikanische Publizist Walter Lippmann 1947 ein Buch geschrieben hat. Er hat es The Cold War genannt. Das wird zum Schlagwort für eine Epoche, die schließlich fast ein halbes Jahrhundert andauern soll. Doch „kalt“ ist dieser Krieg keineswegs, seit gut zwei Jahren wird er auch mit Waffengewalt ausgetragen, nur eben auf einem weit entfernten Nebenkriegsschauplatz, in Ostasien. In Korea hat er schon über drei Millionen Menschen das Leben gekostet. Und wäre Präsident Truman zwei Jahre zuvor nur einen Tick unbesonnener gewesen und hätte seinen kommandierenden General Douglas MacArthur nicht zurückgepfiffen, hätte der am liebsten unter Einsatz von „vierzig bis fünfzig Atombomben“ in einem Aufwasch gleich auch noch „China in Schutt und Asche legen“ wollen. Seitdem reißen die beängstigen Nachrichten nicht ab, auch 1953 nicht: Acht Monate nach den USA verfügt nun auch die Sowjetunion über die Wasserstoffbombe, wie seismografische Aufzeichnungen im August bestätigen. Die nukleare Drohung ist zum Mittel des Krieges geworden.

Die Front zwischen freier Marktwirtschaft und Sozialismus verläuft quer durch Deutschland, das geteilte Berlin wird zu einem der bizarrsten Orte der Welt und Schauplatz ungezählter Spionage-Thriller. 1946 hat Winston Churchill mit seinem Appell an die USA, sich nicht wie nach dem Ersten Weltkrieg aus Europa zurückzuziehen, das Bild vom „eisernen Vorhang“ geprägt, der „von Stettin am baltischen Meer bis Triest an der Adria quer durch den Kontinent gefallen“ sei. Wie zur Bestätigung sperrt die sowjetische Besatzung zwei Jahre später Straßen- wie Eisenbahnverbindungen und die Wasserwege in die ehemalige Reichshauptstadt, über vierzehn Monate hinweg kann Berlin nur aus der Luft versorgt werden; zweieinhalb Millionen Tonnen Nahrungsmittel, Kohle, Baustoffe, Medikamente schaffen die US- und die Royal Air Force mit über einer viertel Million Flügen in die Stadt.

1953 wird bei den zweiten Wahlen zum Deutschen Bundestag Konrad Adenauer als Kanzler der Westdeutschen wiedergewählt, in der DDR gibt Walter Ulbricht den Generalsekretär des ZK der SED. In den USA hat Dwight D. Eisenhower mit dem Versprechen, der kommunistischen Bedrohung entschlossen entgegenzutreten, einen triumphalen Wahlsieg über seinen Vorgänger Harry S. Truman eingefahren und schwenkt um in eine deutlich konservativere Gangart. In der Londoner Westminster Abbey wird Elisabeth II. zur Queen von Großbritannien und Irland gekrönt, in Moskau stirbt mit Stalin der mächtigste Mann des Ostblocks, Nikita Chruschtschow rückt nach.

Am 17. Juni kommt es zum Volksaufstand in Ostberlin. Arbeiter protestieren gegen Erhöhungen der Arbeitsnormen um durchschnittlich zehn Prozent mit Demonstrationen und Generalstreik, der sowjetische Stadtkommandant verhängt den Ausnahmezustand. Die Situation gerät außer Kontrolle, SED-Büros werden besetzt und vielerorts in Brand gesteckt, am Nachmittag marschieren sowjetische Truppen auf, rollen Panzer heran, am Abend haben sich die Unruhen auf das gesamte Gebiet der DDR ausgedehnt. Überall werden Rathäuser und Gefängnisse gestürmt. Es dauert zwei Tage, bis der Aufstand niedergeschlagen ist. Die DDR gibt einundzwanzig Tote an (tatsächlich sind es fast dreimal so viele) und zweihundert Verletzte.

Neuerdings kann man sich den ganzen Irrsinn sogar im Fernsehen angucken. Weihnachten 1952 wird zum ersten Mal die Tagesschau gesendet, zunächst dreimal die Woche. Das Programm ist beschränkt auf die Zeit zwischen 20 und 22 Uhr und vorerst nur in Norddeutschland und Berlin zu empfangen. Eine „Flimmerkiste“, Kostenpunkt 1.150 DM, können sich gerade viertausend Familien leisten. Immerhin: 3,5 Prozent der westdeutschen Haushalte besitzen schon eine Waschmaschine und 5,3 Prozent einen Kühlschrank. Auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt bestaunt man 1953 den Lloyd 400 mit einer der Materialknappheit wegen aus Sperrholz mit Kunstlederüberzug gefertigten Karosserie oder den dreirädrigen Messerschmitt-Kabinenroller mit fast elf PS und einer Spitzengeschwindigkeit von achtzig Stundenkilometern, der gerade mal doppelt so viel kostet wie ein Fernsehapparat und im Volksmund wegen seiner Plexiglashaube bald „Schneewittchensarg“ heißt.

Dank Währungsreform und Marshall-Plan hat im Westen Deutschlands ein so rasant-dynamischer wirtschaftlicher Aufschwung eingesetzt – die jährliche Wachstumsrate beträgt 8,5 Prozent –, dass man die Metaphysik bemüht, um ihn zu beschreiben: Man spricht vom Wirtschaftswunder – auch wenn das für die meisten Menschen noch nicht viel mehr heißt, als dass es regelmäßig zu essen gibt und man wieder angemessene Kleidung hat. Noch wohnt man beengt und oft behelfsweise, wäscht sich in der Küche. Die meisten Jugendlichen haben kein eigenes Zimmer; einer Untersuchung von 1952 zufolge verfügen mehr als ein Drittel der Zehnjährigen und über ein Viertel der Vierzehnjährigen nicht einmal über ein eigenes Bett und müssen sich ihre Matratze teilen. Und doch: Es geht bergauf, spürbar; im nächsten Jahr, in Bern, wird Deutschland dann auch noch Fußballweltmeister und Peter Frankenfeld mit seiner Show 1:0 für Sie zum ersten deutschen Fernsehstar. Der Schutt ist beiseite geräumt, seit Kriegsende wurden über zwei Millionen neue Wohnungen gebaut. Auseinandersetzungen geht man aus dem Wege, man kehrt unter den Teppich und will jetzt einfach nur seine Ruhe haben, das Leben genießen.

Mit der 10 Pfg Bild Zeitung hat Axel Springer im Jahr zuvor eine neuartige Tageszeitung „für alle“ gestartet, die fast nur aus Fotos besteht, dazwischen Klatschgeschichten, Preisausschreiben, Kreuzworträtsel, Horoskope. Mit dem Ausblick auf eine bessere Zukunft erwacht eine neue Lust am Sehen. Und es darf auch wieder gelacht werden. Populärster und produktivster Witzzeichner ist der mit „Bū“ signierende Hans Jürgen Bundfuß, dessen naive Angler-, Jäger-, „Neger“- und Schwiegermutter-Kalauer in so gut wie allen Illustrierten zu finden sind, meist auf der vorletzten Seite. Im Stern tauchen die ersten Zeichnungen eines gewissen Loriot auf, in der Quick macht Nick Knatterton Jagd auf „die gestohlene Hüftlinie“ und in der Hör zu erlebt Mecki sein erstes längeres Abenteuer in Fortsetzungen: Der Redaktionsigel, dessen liebenswert gezeichnete Geschichten „einen seltsamen Schleier von Niedlichkeit und altkluger Modernität über das Aufbaufieber der Nachkriegszeit und die Schatten der nazistischen Vergangenheit legen“, führt darin Meister Krempes neue Erfindung vor, einen „Super-Ultraschall-Waschapparat“: „An der einen Seite steckt man die schmutzige Wäsche hinein“, erklärt Mecki, „an der anderen kommt sie schneeweiß und getrocknet wieder raus.“

Die Zahl der Kinos hat sich seit Kriegsende verdoppelt, die gut fünftausend Lichtspielhäuser im Westen zeigen bereits schon wieder auch deutsche Produktionen wie Schwarzwaldmädel oder Grün ist die Heide, der Heimatfilm mit seiner heilen Welt intakter Dorfmilieus erfreut sich größter Beliebtheit, heile Städte gibt es ja nicht mehr. – In Amerika hingegen treiben gerade 3-D-Filme wie Bwana Devil oder Creature From the Black Lagoon die Leute in die Kinos. Der Kinsey-Report rückt die weibliche Sexualität in den Blick, der Playboy knackt in seiner ersten Ausgabe mit Marilyn Monroe auf dem Cover das Nackt-Tabu, im Radio ertönen die ersten Songs von Elvis Presley. Buick bringt 1953 seinen chromblitzenden Roadmaster mit V8-Motor heraus, General Motors die Corvette C1 mit einer Leistung von hundertfünfundfünfzig PS, die in vierzehn Sekunden auf hundertachtzig Stundenkilometer beschleunigt.

Viele Kinder in Deutschland wachsen ohne Väter auf, die noch in Gefangenschaft sind oder gefallen. Wo das Familienoberhaupt wieder daheim ist, ist seine Autorität ungebrochen, Prügel gilt als angemessene Maßregelung (und ist erlaubt). Jungs tragen Hosenträger oder am besten kurze Lederhosen mit Edelweißträgern – sind die endlich so speckig, dass sie nicht zusammenfallen, wenn man sie auf den Boden stellt, dann sind sie „richtig“. Der „Mecki“ hat sich noch nicht durchgesetzt, noch fallen die Haare weiter in die Stirn. Die Bengel spielen am liebsten auf den verlockenden, nicht immer ungefährlichen Trümmergrundstücken und träumen, voller Heißhunger auf das Leben, von fernen Welten und verlockenderen Zeiten.

Das Einzige, das im tristen Alltag für Abwechslung sorgt, sind die GIs, die wie Boten aus einem fernen, märchenhaften Land erscheinen. Bei denen gibt es Kaugummi, Schokolade oder auch mal Zigaretten. Und natürlich comic books. Zwar kann man die bunten Bilderhefte mit den schrill kostümierten Helden, die sogar durch die Lüfte segeln, nicht lesen, aber anhand der Bilder lässt sich einiges zusammenreimen und eifrig debattieren darüber. Die Hefte umgibt ein höchst exotisches Flair, so etwas gab es vorher nicht. Eltern und Lehrer sind verstört. „Die Invasion dieser Hefte“, heißt es etwa 1952 unter der Überschrift Comic strips sind komische Segnungen für die Jugend im Wiesbadener Kurier, „nimmt von den Kasernen ihren Ausgang, denn die amerikanischen Soldaten lesen sie in jeder Menge. Später verschenken sie sie dann an Jugendliche, die dankbare Abnehmer sind.“ Stapelweise liegen die Hefte auch den Carepaketen aus Amerika bei – US-Verlage wie DC fordern dazu auf, um ihren Absatz zu forcieren –, und wegen der großen Nachfrage blüht bald ein reger Schwarzhandel.

Und dann gibt es plötzlich Walt Disney’s Micky Maus, einmal im Monat nur, aber mit Sprechblasen, die sich nun tatsächlich lesen lassen. Das Heft ist Ende 1951 die erste durchgehend farbige Zeitschrift in der grauen Nachkriegstristesse. Und das erste erfolgreiche Comic-Heft an den Kiosken, nach zwei Jahren werden von jeder Ausgabe bereits dreihunderttausend Exemplare verkauft. Nur wenig später waren Tarzan und Wild-West-Hefte wie Pecos Bill oder Tom Mix gefolgt. Die Micky Maus kostet stolze fünfundsiebzig Pfennig, andere Hefte immerhin noch fünfzig (sind dafür aber nur schwarz-weiß) – für viele Kinder unerschwinglich. Da kommt dem Hannoveraner Verleger Walter Lehning eine Idee.

Auf einer Urlaubsreise sind ihm in Italien schmale Comic-Heftchen aufgefallen, nur 17 x 7,5 Zentimeter groß und striscia genannt, was ganz einfach „Streifen“ heißt. Lehning erwirbt die deutschen Rechte für drei Abenteuerreihen, und im Juni 1953 hängt die jeweils erste Ausgabe von Akim – der Sohn des Dschungels, von El Bravo und Carnera an den Zeitungsständen aus. Die Hefte kosten zwanzig Pfennig, und Lehning tauft sie – eine kleine Reminiszenz an ihr Herkunftsland – „Piccolo“. Das Konzept, ein kleines Produkt zu einem kleinen Preis anzubieten, geht auf. Vor allem Akim entpuppt sich als außerordentlich beliebt und verkauft bald sechshunderttausend Exemplare jede Woche.

„Es war wohl im Herbst 1952, ich war acht Jahre alt, da fuhren wir mit der ganzen Familie nach Italien“, erinnert sich Walter Lehnings Sohn Bernd später daran, wie sein Vater die Streifenhefte 1952 entdeckt. „Wie es im Urlaub so ist, geht man auch sehr viel spazieren. Es fiel uns allen auf, dass in Italien die Kioske sehr viel bunter und mit viel mehr Illustrierten und sonstigem behangen waren als bei uns in Deutschland. Überall flatterten diese kleinen Hefte herum. Es fiel uns auch auf, dass überall Kinder und manchmal sogar Erwachsene mit gerade diesen kleinen Streifenheften herumsaßen und sie mit Spannung lasen. Mein Vater sah das natürlich auch, er blieb vor so einem Kiosk stehen und schaute sich einige dieser Hefte an. […] Am Abend saßen wir in einem Restaurant abseits vom Urlaubstrubel und ließen uns unser Abendbrot schmecken. Wir hatten alle einen Fensterplatz. Mein Vater schaute unentwegt zum Kiosk auf der anderen Straßenseite. Plötzlich, mitten beim Essen, stand er auf und ging zum Kiosk hinüber. Wir sahen uns alle ganz verdutzt an. Keiner wusste, was los war. Nach einiger Zeit kam mein Vater mit einigen dieser Streifenhefte ins Lokal zurück, setzte sich und fing an, in den Heftchen herumzublättern. Nach einer Weile schaute er uns listig an und sagte: ‚Das ist es, das ist es.‘“

Lehning ist ein Mann der Tat und schnellen Entschlüsse. „Am nächsten Tag und auch die drei folgenden Tage sahen wir unseren Vater überhaupt nicht mehr“, so Bernd Lehning weiter. „Er hatte sich tatsächlich irgendwo mit den italienischen Verlegern getroffen. Als er einige Tage später wieder bei uns im Hotel war, meinte er nur: ‚Das Geschäft ist perfekt.‘ Daraufhin fuhren wir schon etwas frühzeitiger nach Hause als geplant. Mein Vater hatte es auf einmal sehr eilig. Zuhause angekommen, schaute er nur kurz nach dem Rechten und ward danach nicht mehr gesehen. Er war von seiner Idee mit den Streifenheftchen so besessen, dass er gleich seinen Freund und Anwalt Dr. Wülfing aufsuchte. Die beiden müssen dann wohl gleich wieder nach Italien gefahren sein. Auf alle Fälle kam mein Vater nach vier Tagen wieder zurück. Er hatte die Rechte für Akim – der Sohn des Dschungels, El Bravo und Carnera und die Druckvorlagen.“

Die neuen Heftchen fallen einem jungen Mann in Hannover sofort ins Auge. Hansrudi Wäscher ist Gebrauchsgrafiker und Plakatmaler, in der italienischen Schweiz aufgewachsen, wo er als Kind die aus Italien importierten fumetti verschlungen hat. Er hat bereits einige eigene Comic-Projekte in Angriff genommen, aber noch nichts veröffentlichen können. Auch Wäscher kennt die strisce und hat die gleiche Idee wie Walter Lehning. „Als ich zum ersten Mal nach dem Krieg wieder in der Schweiz war, machte ich einen Abstecher nach Mailand. Hier entdeckte ich am Kiosk die Streifenhefte. Ich kaufte also einige solcher Hefte und dachte: Das ist genau das Format und der Umfang, den du selber finanzieren kannst.“ Während er zusammen mit seinem Vetter Gerhard Adler noch darüber nachsinnt, wie sie ein eigenes Streifenheft an die Kioske bringen können, kommt ihnen nun also Lehning zuvor. „Ich holte Kostenvorschläge ein, kümmerte mich um den Vertrieb, und alles ließ sich recht gut an“, so Wäscher. „Dann ging ich eines Morgens wie üblich von der Wohnung in mein Atelier, das einige Straßen entfernt auf einem Hinterhof mit vielen freilaufenden Hühnern lag. Auf dem Wege dorthin kam ich wie immer an einem Zeitungskiosk vorbei. Was sehe ich dort hängen? Streifenhefte!“

Wäscher ist außer sich. Da der Verlag ebenfalls in Hannover ansässig ist, klaubt er ein paar Arbeitsproben zusammen und stürmt in die Ferdinandstraße, in der der Lehning Verlag residiert. Ein Entwurf, den er mitgebracht hat, zeigt einen blonden Ritter, die erste Seite einer geplanten Comic-Erzählung im Stil von Prinz Eisenherz über die archetypische Sagenfigur Siegfried, die in nordischen Versionen Sigurd heißt. Lehning ist mit dem Erfolg seiner ersten Piccolo-Hefte höchst zufrieden und plant bereits Fulgor – der Weltraumflieger als nächste Reihe. Eine Ritterserie fehlt noch im Programm. Lehnings Redaktionsleiter Dr. Fach schlägt Wäscher vor, seine Idee auf das Streifenformat umzuarbeiten und bietet ihm pro Heft ein Honorar von dreihundertfünfzig Mark an: „In der nächsten Woche wollten sie schon das erste Sigurd-Heft haben. So fing es an, die Erscheinungsweise war dann wöchentlich.“

Wäscher ist es gar nicht unrecht, dass er das finanzielle Risiko, ein eigenes Piccolo-Heft zu produzieren und zu vertreiben, nicht selbst tragen muss. Er will zeichnen und Geschichten erzählen, nicht Verleger sein und sich um den Vertrieb kümmern. Umgehend macht er sich an die Arbeit, mit einem Schlag scheint sein Traum vom Comic-Zeichner Wirklichkeit zu werden. Adler betraut er mit dem Schreiben der Story. „Von der Idee bis zur Ausführung ist es ein weiter Weg. Man braucht recht viel Selbstdisziplin, um das durchzustehen. Ich habe mir zunächst einfach nicht zugetraut, Dialoge zu schreiben“, so Wäscher. „Wir hatten das erste Sigurd-Heft beim Verlag vorgelegt, außer, dass zu wenig Action vorkam, war man zufrieden“, erinnert sich Adler. „Wir mussten von der Sage weg und eine Abenteuerserie daraus machen, denn sonst hätten wir schon nach fünf Heften keinen Stoff mehr gehabt.“

Anfang Oktober hängt das erste Heft an den Kiosken. Es zeigt einen blonden Jüngling in einer archaischen Welt im Kampf mit einem Bären und trägt den Titel Die Falle. „Sigurd war einer der größten Helden vergangener Zeiten“, heißt es auf der ersten Seite, und dann geht es auch schon mitten hinein in ein ritterliches Turnier, in dessen Verlauf Sigurd seinen Gegner Bodo besiegt, den zuvor noch niemand vom Pferd gestoßen hat. Die Niederlage nimmt Bodo dem Blondschopf mächtig übel, doch am Ende schließen die beiden jungen Männer Freundschaft.

Eine Freundschaft, die ungezählte Abenteuer überdauern wird – und die nunmehr seit beinahe sechzig Jahren währt.

Die Italien-Connection

Schon als Junge taucht Wäscher am liebsten in die Bilderwelten der Comic-Hefte ein und träumt von Abenteuern an fernen Orten und an der Seite kühner Helden. Sein Favorit ist Flash Gordon, der mit Schwert und Strahlenpistole auf einem fernen Planeten gegen den schurkischen Diktator Ming kämpft. Und Mandrake, der Magier. „Obwohl der mir hinterher, als immer alles erklärt werden musste, dann nicht mehr so gefiel. Als das alles Hypnose und kein echter Zauber mehr war, mochte ich ihn nicht mehr. Mir hat mehr gefallen, als der am Anfang richtig zaubern konnte.“ Im Gegensatz zu seinen Altersgenossen im Deutschen Reich hat Wäscher das Glück, dass in Lugano, wo er mit seiner Familie lebt, die italienischen fumetti allgegenwärtig sind. Er liebt die großformatigen Magazine wie L’Avventuroso, Topolino und vor allem den Corriere dei Piccoli, in denen Serien aus den Sonntagsbeilagen der amerikanischen Tageszeitungen erscheinen, Hal Fosters Tarzan, Flash Gordon natürlich von Alex Raymond, Mandrake, the Magician und Brick Bradford. Auch noch, nachdem die italienischen Zensurbehörden am 21. November 1938 die Veröffentlichung ausländischer Comics einschränken und die Jugendzeitschriften verstärkt in die faschistische Propaganda einbinden: Wo den Helden zuvor Gangster in die Quere kamen, sind es in der Übersetzung jetzt Juden. Doch da neigt sich Wäschers Zeit in Lugano ohnehin bereits ihrem Ende zu.

Hansrudi Wäscher kommt am 5. April 1928 in St. Gallen in der Schweiz zur Welt – dort, „wo in einem Kloster die Dietrich-von-Bern-Sage aufbewahrt wird“. Er verlebt seine Kindheit in Rheineck, einem historischen Städtlinahe der österreichischen Grenze am Rhein, der einige Kilometer weiter in den Bodensee fließt. „Meine Mutter war Schweizerin, mein Vater Deutscher. Das Kuriose dabei: Meine Mutter wuchs als Schweizerin in Deutschland auf, in Hannover, und mein Vater als Deutscher in der Schweiz. In den Zwanzigerjahren kehrte meine Mutter mit ihren Eltern in die Schweiz zurück und lernte hier meinen Vater kennen.“ Hansrudi hat zu beiden Eltern ein gutes Verhältnis. Rudolf Wäscher, der Sohn eines Bildhauers, ist Friseur und hat einen eigenen kleinen Salon, in dem ihm seine Frau bei der Arbeit hilft.

„Meine Eltern hatten von früh bis oft in der Nacht zu tun, denn Ladenschlusszeiten gab es nicht“, erinnert sich Wäscher später daran, wie er im Alter von fünf Jahren das Zeichnen entdeckt. „Ihr einziger freier Nachmittag war der Sonntag. Und da erholten sie sich am liebsten beim Tanz. An einem Sonntagnachmittag im Mai drohte das Tanzvergnügen allerdings in den Bodensee zu fallen. Denn Oma, die stets das Hansrudi-Sitting übernahm, war verreist, und es fand sich niemand, der mich betreute. ‚Nehmen wir den Jungen doch einfach mit‘, beschlossen meine Eltern. Die Frage war nur: ‚Wie kriegen wir den quicklebendigen Fünfjährigen dazu, still auf seinem Stuhl sitzen zu bleiben und keinen Unsinn zu veranstalten?‘ Denn sie waren einiges von mir gewohnt. Mein Vater fand die Lösung: Papier und Buntstifte, die mich beschäftigen und bei Laune halten sollten. Das Rezept bewährte sich (und wurde von da an immer wieder angewandt). Ich vergaß die Umgebung um mich herum und kritzelte und malte begeistert stundenlang bunte Bilder. Als die Musiker ihre Instrumente einpackten, bewunderten einige Gäste meine ‚Werke‘. Und das Lob meines Vaters machte mich gleich einen Kopf größer.“ Rudolf Wäschers Einfall bleibt nicht ohne Folgen. „Eigentlich wollte ich, wie mein Vater, Friseurmeister werden. Doch als die Berufsfrage anstand, hatte ich mich längst entschieden und griff statt zu Kamm und Schere nach dem Zeichenstift. Aber auch damit lassen sich flotte Tollen zaubern – siehe Sigurds Stirnlocke …“

Das Zeichnen liegt schon dem Vater im Blut. „Wenn er in seinem Friseurgeschäft einmal nichts zu tun hatte, zeichnete er. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er am Tresen neben der Kasse steht und zeichnet. Er hatte meist eine Zigarette im Mundwinkel, wenn ihm der Qualm ins Auge stieg, blinzelte er. Ich stand daneben und guckte zu, das war ganz toll. Auch ich zeichnete damals viel. Wenn meine Eltern sonntags am Nachmittag tanzen gingen, brauchten sie mir nur Papier und Buntstifte zu geben, damit ich – sie nahmen mich überall mit hin – still saß und keinen Unfug trieb.“ In Rheineck absolviert Hansrudi auch sein erstes Schuljahr, nur zur Hälfte allerdings. Denn als er sechs Jahre ist, zieht die Familie um nach Zürich, weil sich der Vater davon eine Verbesserung seines Geschäfts verspricht. Im Jahr darauf geht es weiter nach Lugano in der italienischen Schweiz.

„Der kleine Ort war meinem Vater zu eng geworden, er wollte in die Stadt. In Zürich war das eine Pleite, da wir in einem Neubaugebiet wohnten, wo alles noch in Arbeit war, und da hat er keine Kundschaft gefunden. Also sind wir noch mal umgezogen.“ Wieder muss Hansrudi die Schule wechseln, in Lugano findet der Unterricht auch nachmittags statt, in der Regel bis fünf. Da es keine deutschsprachige Schule gibt, geht er auf eine italienische, ohne der Sprache mächtig zu sein. „Ich habe mir so manche Ohrfeige eingefangen, weil ich anfangs oft aus dem Fenster guckte, da ich ja nichts verstand.“

Dafür entdeckt er etwas für ihn völlig Neues: Comics aus Italien. „Da habe ich mich dann hinein geflüchtet. […] Mich faszinierten zu allererst die Bilder, zumal ich ja den italienischen Text noch nicht verstand. Ich erinnere mich noch, wie ich am Kiosk ein Heft sah mit dem Titel Uragano di fuoco, also ‚Feuersturm‘. Es handelte sich um eine Schiffsmeuterei-Geschichte. Mein Vater kaufte mir schließlich das Heft, und ich war selig. […] Dieser Geruch, das war wunderbar. Das werde ich nie vergessen. Seitdem habe ich immer viele Comics gelesen. Als Kind konnte ich niemals genug davon bekommen. Es war wie eine Sucht.“ Wöchentliche Hefte wie Topolino und Corriere dei Piccoli helfen ihm schließlich dabei, Italienisch zu lernen. „Ich wollte ja wissen, was die Leute sagen. Ich hatte auch Privatunterricht bei einer Kundin meines Vaters. Die war allerdings Engländerin, und so lernte ich anfangs Italienisch mit englischem Akzent. Wir haben jeden Tag eine halbe Stunde geübt, dann hat sie mir eine halbe Stunde vorgelesen, und zwar Kipling. Und so nach einem halben Jahr habe ich meinen ersten Aufsatz geschrieben, über unsere Straße und was man da so alles sieht, und hatte überhaupt keine Probleme.“

Allerdings fällt in diese Zeit auch seine „erste bittere Erfahrung“: „Vermutlich ausgelöst durch einen ziemlich harten Sturz beim Skifahren bekam ich eine Wachstumskrankheit [Morbus Perthes], die erst ausgeheilt war, nachdem ich nahezu zwei Jahre lang im Krankenhaus zugebracht hatte“, zuerst in Mailand, dann in Zürich. Wäscher muss eingegipst im Bett liegen, über sechs Monate hinweg kann er sich noch nicht einmal aufrichten. „In dieser Zeit habe ich enorm viel gelesen, meine Eltern konnten gar nicht genügend Bücher anschleppen.“ Sein Lieblingsautor ist Emilio Salgari, natürlich vor allem dessen Sandokan-Romane. Außerdem verschlingt er Luigi Motta, dessen Mumien-Schmöker Hollywood zu einigen B-Filmen inspirieren, Rider Haggards Afrika-Tausendsassa Quatermain, Rudyard Kipling, Alexandre Dumas und Jules Verne, sämtlich auf Italienisch. „Doch ständig lesen durfte ich auch nicht, mittags sollte ich schlafen. Aber schlafen wollte ich nicht, so stellte ich mir mit geschlossenen Augen Geschichten vor. Jemand fuhr zum Beispiel mit einem Boot und daraus entwickelte sich etwas. Ohne diese Krankheit wäre vielleicht alles ganz anders gekommen. Zuvor hatte ich viele Freunde, die besuchten mich anfangs auch gern, aber mit der Zeit blieben sie weg, wie das so geht. […] Meine Eltern waren im Geschäft beschäftigt, also war ich allein. Da kommt man schon auf traurige Gedanken. Aber natürlich hatte ich keinerlei Einfluss auf die Dinge und rutschte wahrscheinlich auch deshalb in die Fantasiegeschichten hinein.“

In der Klinik in Zürich gibt es glücklicherweise auch eine Schule. „Da wurden wir in unseren Betten hingefahren und dann unterrichtet. Als wir nach Deutschland gekommen sind, hatte ich praktisch keinen Schultag versäumt. Ich konnte nur nicht deutsch schreiben.“ Wäschers Erkrankung lässt ihn später den Entschluss fassen, kinderlos zu bleiben. „Ich hatte damals Glück, dass mein Bein nicht steif blieb. Als ich heiratete, sagte uns ein Arzt, die Disposition für diese Krankheit sei möglicherweise erblich. Mein Großvater hatte sie auch. Ein Krankenlager, wie ich es erlebt habe, noch dazu mit geringen Heilungsaussichten, möchte ich keinem Kind zumuten. Deshalb wurden meine Frau und ich uns einig, auf Kinder zu verzichten.“

Durch ihre Heirat ist Wäschers Mutter ebenfalls Deutsche geworden. „Mein Vater hätte jederzeit die Schweizer Staatsangehörigkeit bekommen können. Dann hätte er jedoch Wehrdienst leisten müssen, und den verweigerte er. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden wir als Deutsche in der Schweiz zunehmend angefeindet. […] Da hatte dann über Nacht schon mal jemand ‚Spezialgeschäft für Hitler, Göring und Goebbels‘ auf das Schaufenster unseres Friseurgeschäfts gemalt. Einmal wurde mein Vater angezeigt, und es hieß, er sei ein deutscher Spion. Das hat ihn alles sehr frustriert, und meine Mutter hat das natürlich auch bedrückt.“ Und so siedelt die Familie 1940 nach Hannover um, wo die Schwester seiner Mutter wohnt.

„Meine Tante hat damals richtig aggressiv Werbung gemacht für das ‚Reich‘“, erinnert sich Wäscher. „Es gäbe dort alles, das sei praktisch das Paradies, alles andere sei nur schwarze Propaganda. Wir bräuchten keine Möbel mitzubringen, gar nichts, Wohnungen gäb’s auch. Es gab keine Wohnungen, als wir ankamen, und Möbel hatte meine Mutter zum Glück noch bei ihrer Schwester auf dem Speicher. Das war schrecklich. Das erste, das mich gestört hat, war, dass wir an der Grenze gefilzt wurden, total. Und dann, als wir in Hannover waren … Es gibt doch dieses schöne Lied von Heinrich Heine, ‚Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin‘, und als ich das einmal sang, kam meine Tante reingeschossen und brüllte: ‚Das darf man hier nicht singen!‘ Ich sah sie fragend an, und sie sagte: ‚Das ist von einem Juden!‘“

Für den dreizehnjährigen Hansrudi ist es nicht leicht, sich in die neue Umgebung einzuleben. „Da ich außer Italienisch nur Schwyzerdütsch sprach, hatte ich zunächst große Schwierigkeiten. An meinem ersten Schultag bekam ich gleich die Jacke voll, weil man mich für einen Italiener hielt.“ Und er muss feststellen, dass es in Deutschland keine fumetti gibt. „Als ich 1940 nach Hannover kam und keine Comics mehr lesen konnte, war ich enttäuscht. Meine kleine Sammlung hatte ich in Lugano einem Freund geschenkt, in der fälschlichen Annahme, dass ich mir in Hannover eine neue anlegen könnte.“ Die Eltern haben Verständnis für ihren Sohn und abonnieren ihm aus Italien den Corriere dei Piccoli, der mit seinen acht großformatigen Seiten bis 1943 einmal die Woche nach Hannover in die Hebbelstraße im Stadtteil List kommt. Schon bald nach der Ankunft der Familie in Hannover wird der Vater eingezogen, „tragisch genug, da er nie ein Gewehr anfassen wollte“. Er fällt 1945 während des Kampfs um Berlin.

Wäscher muss zum Jungvolk und anschließend zur HJ. „Daran habe ich mich nie gewöhnen können. Man bekam immer solche Zettel, ‚Du hast dich dann und dann da und da einzufinden‘. Ich hasste das, das war keine schöne Zeit.“ Noch während des Krieges macht Hansrudi Wäscher die Mittlere Reife und beginnt 1944 eine Lehre als „Gebrauchswerber“, wie es damals heißt. Zunächst bei dem Bekleidungshaus Sältzer in Hannover, und als das ausgebombt wird – Wäscher ist zu diesem Zeitpunkt gerade im Gebäude –, bei der Firma Toma-Reklame, wo er kurz vor Kriegsende seine Abschlussprüfung macht. „Das war eigentlich ein Malerbetrieb, wo sich der Sohn um die Werbung kümmerte und dafür eine Reihe fester Kunden hatte. […] Schon vorher hat mir ein Berufsschullehrer, Henry Ostfeld, privat Zeichenunterricht gegeben. Dieser Mann hatte mich ins Herz geschlossen.“ Ostfeld wird für Wäscher eine Art Mentor. „Wir fuhren oft mit dem Fahrrad hinaus und aquarellierten. Ich war ihm sehr dankbar, dass er sich mit mir abmühte und auch dafür sorgte, dass ich den HJ-Dienst schwänzen konnte. Ich wollte ihm unbedingt auch einmal einen Gefallen tun. Zufällig kam ich an eine Quelle für Gewürzgurken, die er sehr gern aß. Ich schenkte ihm einen Zwanzig-Kilo-Eimer, damals eine kleine Kostbarkeit. Er nahm sie auch strahlend an. Zu meiner Überraschung fragte er mich schon nach kurzer Zeit, wie es denn wieder einmal mit Gewürzgurken wäre. Ich: ‚Sind die denn schon alle?‘ ‚Hm‘, druckste er ein bisschen. ‚Unser Kater frisst Gurken auch leidenschaftlich gern!‘ Aus dieser Zeit stammt meine Katzenliebe. Dieser Kater des Henry Ostfeld war wirklich eine imposante Persönlichkeit. Er fauchte wild, sobald Ostfeld ihn mit in den Luftschutzkeller nehmen wollte. Ihm zuliebe blieb auch Ostfeld in den Bombennächten in seiner Wohnung in der vierten Etage. Er rettete das Mietshaus mehrmals vor der Vernichtung, indem er auf dem Dachboden niedergehende Brandbomben auf die Straße warf. […] Wenn ich Henry Ostfeld nicht gehabt hätte, wäre ich wohl so manches Mal verzweifelt.“

Doch schließlich ist der Spuk vorbei, am 10. April 1945 rollen um fünf Uhr morgens die ersten Panzer der 84. US-Infanterie-Division in die Stadt. Wäscher ist gerade siebzehn Jahre alt geworden. „Während der Besatzungszeit habe ich mir manche Flasche Gin und Schachtel Zigaretten, die dann als Tauschobjekte benutzt wurden, mit Porträts verdient, die ich in der Freizeit für britische Offiziere nach den Fotos ihrer Freundinnen malte. Meine Auftraggeber waren ganz wild auf Ölgemälde. Ölfarben gab es aber noch nicht wieder. Deshalb machte ich’s mit einem Trick: Wenn man ein mit Plakatfarbe gemaltes Bild anschließend kräftig mit einer harten Bürste bearbeitet, entstand ein herrlicher ‚Öl-Glanz‘. Diese ‚Meisterwerke‘-Serie fand dann ein Ende, als mir ein Offizier eines Tages das Foto meiner eigenen Freundin brachte! Da war ich frustriert und warf Pinsel und Palette hin.“

Von März 1947 bis Juli 1950 besucht Wäscher für sechs Semester die Werkkunstschule in Hannover. „Als die Werkkunstschule wieder eröffnet wurde, meldete ich mich sofort. Man konnte zunächst aber nur vierzig Leute unterbringen und zog die älteren Bewerber vor, die aus dem Krieg zurückkamen und ihre Ausbildung nachholen mussten. Aus Enttäuschung, nicht gleich angenommen zu werden und meine Ausbildung fortsetzen zu können, habe ich mich in dem Aufnahmebüro wie ein rasender Stier aufgeführt und die Tür hinter mir zugeknallt. Allerdings hätte ich in diesem ersten Semester nicht viel gelernt, wie ich hernach erfuhr, weil die Schüler die meiste Zeit damit verbringen mussten, Trümmer wegzuräumen, denn ein Teil der Schule lag noch in Schutt und Asche. Zum nächsten Semester wurde ich dann angenommen.“

Filmstars und Comic-Helden

Was Wäscher nicht aus dem Kopf geht, sind die Comics seiner Kinderzeit in Italien. Nur ganz selten ist so ein Heft auch mal an einem Kiosk in Hannover zu entdecken, Jackel und Bastel etwa oder Peterle. „Nach dem Krieg bekam ich dann Zugang zu einem englischen Club. Dort konnte ich endlich wieder in Zeitungen blättern, die auch Comics enthielten, zum Beispiel in der Daily Mail mit dem Strip Rip Kirby. Auch der Daily Mirror interessierte mich sehr wegen seiner Tagesstrips, der Detektiv Buck Ryan zum Beispiel. Hin und wieder habe ich sogar mal eine solche Seite aus der Zeitung geklaut. Inzwischen ging es systematisch vorwärts mit meiner weiteren Ausbildung. Immer wieder kam mir auch der Gedanke, eine eigene Comic-Zeitung herauszugeben.“

Schließlich zeichnet er nach einem Exposé von Gerhard Adler ein Heft mit dem Titel Kampf um den Mars, das er dem Schwarzwald Verlag in Freudenstadt vorlegen will, der seit 1947 in unregelmäßigen Abständen die aus dem Französischen übersetzte Serie Peterle als Reporter herausgibt. Wäscher ist jedoch mit dem Ergebnis nicht zufrieden und bietet das Science-Fiction-Abenteuer deshalb gar nicht erst an. „Leider unterlief in dem Drehbuch dazu der Fehler“, so Adler, „dass sich einer der Bösewichte, der schon zu Beginn der Geschichte von einem Mars-Ungeheuer verzehrt worden war, zum Ende der Handlung wieder putzmunter zwischen seinen Spießgesellen tummelte. Das hatte sogar mein Vetter übersehen.“ Doch als Wäscher erfährt, dass der Verlag, wahrscheinlich, um Lizenzgebühren zu sparen, die fünfte Ausgabe Peterle als Reporter bei den Jivaros in Eigenregie von einem (ungelenken und heute unbekannten) deutschen Zeichner hat gestalten lassen, legt auch er ein Peterle-Heft mit dem Titel Reise in die Urwelt vor. „Die Handlung spielte in der Antarktis. Man lud mich ein. Die Geschichte wurde angenommen und bezahlt, ist aber nie erschienen.“ Denn kurz darauf muss der Schwarzwald Verlag Konkurs anmelden, Wäschers Originale gehen verloren.

Immerhin, von der Stadt Hannover bekommt er schließlich den Auftrag für eine Art Bildergeschichte, eigentlich eher ein kleines Bilderbüchlein. Adler arbeitet nach seiner Rückkehr aus dem Krieg beim Ordnungsamt und erfährt 1949 von der Ausschreibung für eine „Verkehrsfibel“. Er erzählt Wäscher davon, der die Figur eines beleibten Herrn Boll mit Melone und Zigarre entwirft und damit den Zuschlag erhält. Adler dichtet für den querformatigen Band Augen auf! Verkehrsrezepte für Groß und Klein die Texte – Hier zeigen wir euch den Herrn Boll/Er tut stets, was er nicht soll/Dies Büchlein wird von ihm berichten/in kleinen Bildern und Gedichten/Es hat den Zweck, dass jedermann/aus ihm noch etwas lernen kann –, Wäscher fügt die farbigen Illustrationen bei, zwanzig an der Zahl. Das Heft ist mit roter Zusatzfarbe gedruckt und zeigt zu den entsprechenden Versen Beispiele für verkehrsgefährdendes Verhalten, wobei stets der rundliche Boll der Missetäter ist und mit seinem tiefschwarzen Anzug deutlich hervorsticht. Wäscher hat die verschiedenen Szenen im Stil zeitgenössischer Witzzeichner mit semirealistischem Strich inszeniert – und mit viel Liebe zum Detail: An keiner Straßenecke fehlt ein Gullydeckel, ein Briefkasten oder eine Dame mit Hut, die ihren Hund Gassi führt. Angesichts der charmanten und routiniert wirkenden Machart reizt es sich vorzustellen, was hätte geschehen können, wenn Wäscher diese Linie weiterverfolgt und sich zu einem humoristischen Zeichner entwickelt hätte.

„Später wurde diese Figur, die jahrelang aktuell blieb, auch von einem Schauspieler dargestellt“, so Wäscher. „Er sauste als Herr Boll verkleidet durch die Stadt und beging alle nur möglichen Verkehrssünden; ein Lautsprecherwagen begleitete ihn und klärte die Passanten über den schlimmen Herrn Boll auf. Das war wirkungsvoll in der damaligen Zeit.“ An die Gestaltung der postkartengroßen Broschüre, die an alle hannoverschen Haushalte verteilt wird und mehrere Auflagen erlebt, schließen sich etliche Folgeaufträge wie Plakate, Hinweisschilder und Aufkleber an, auch zu anderen Aktionen wie der Sauberhaltung des Stadtwaldes Eilenriede. Wäscher hat so viel zu tun, dass er sein Studium an der Werkkunstschule für ein Semester unterbricht. Er erinnert sich noch an eine Anekdote aus dieser Zeit: „Ich hielt mich in der City auf und hatte es wie üblich wahnsinnig eilig. So raste ich dann bei Rot am Kröpcke über die Straße. Im selben Augenblick brüllte eine Lautsprecherstimme hinter mir her: ‚Aber Herr Wäscher! Sie machen unsere Verkehrserziehung und gehen bei Rot über die Straße?!‘“ Von ihrem Erfolg beeindruckt meldet Gerhard Adler unter dem Namen Igelwerbung eine eigene Firma an. Gemeinsam beziehen Wäscher und Adler ein Atelier, das aus einem Büro und zwei Garagen besteht. Wäscher arbeitet auch für die Werbeabteilung der ganz in der Nähe gelegenen Pelikan-Werke, bei denen seine Mutter als Sekretärin tätig ist. „So kam ich auch günstig an die Plakafarben, die andere nicht benutzen konnten, weil sie zu teuer waren.“

Für die Lichtspielhäuser Lunatheater und Regina in der Innenstadt sowie für das Universum in der Alten Celler Heerstraße (der heutigen Fußgängerzone Lister Meile) gestaltet er zudem regelmäßig die großformatigen Filmplakate, „so im Format sechs Meter lang und zwei Meter fünfzig in der Höhe“. Die Bezahlung ist „miserabel, wenn man den Arbeitsaufwand und die Umstände berücksichtigt, die große Plakate machen“. Wäscher bekommt pro Filmplakat sechzig Mark. Erhalten ist keins der Motive, denn war ein Film abgesetzt, wurde die Leinwand mit der Ankündigung des neuen übermalt. „Die gewaltigen Plakate vom Atelier durch die Stadt zu transportieren, war schon damals, als der Verkehr noch nicht so dicht war, ein Abenteuer.“ Wäscher benutzt dafür einen alten Ford Eifel, „bei dem man das Kupplungspedal an einem Bindfaden wieder hochziehen musste“, und einen Anhänger, mit dem normalerweise Glasscheiben transportiert werden.

„Ich hatte immer eine Menge Freunde um mich herum, die das alles ungeheuer aufregend fanden. Sie ließen es sich niemals nehmen, mich beim Abliefern der Plakate – eins der Kinos lag am Hauptbahnhof – in ihren eigenen Autos durch die Stadt zu begleiten, unter lautem Gehupe, versteht sich. Nachdem das Plakat dann aufgehängt war, nahm ich das Honorar in Empfang. Damit tauchten wir mit sechs, acht Mann ins hannoversche Vergnügungsleben. Oder wir trafen uns in der Altstadt, und haben einen draufgemacht, bis alles Geld ausgegeben war. Ich trug von der ganzen Geschichte also meist nur einen gewaltigen Kater davon. Denn das Honorar war futsch, und die Miete für mein Atelier durfte meine Mutter bezahlen.“ Wäscher erlebt etliche Premieren mit und lernt dabei auch Filmstars wie Hildegard Knef kennen. „Ganz anders als später bei den Comics haben mich die Kinobesitzer angehalten, bei den Schauspielerinnen den Busen zu betonen. Das habe ich also gemacht und dabei gerne auch etwas übertrieben, muss ich zugeben. Darüber beschwerten sich dann natürlich die Frauen.“

Wäschers Auftragslage hängt ab vom Erfolg der jeweiligen Filme, „je nachdem, wie der Film lief. Wenn der lange lief, weil’s ein guter Film war, war das ärgerlich, weil ich dann kein Honorar mehr bekam, und sonst, wenn ein schlechter Film kam, hatte ich schnell wieder einen neuen Auftrag.“ So bringt er in den nächsten Jahren also Marlene Dietrich und Errol Flynn auf die Leinwand, Ingrid Bergmann und Humphrey Bogart, Heinz Rühmann und Pinocchio. „Nach Abschluss der Werkkunstschule als Gebrauchsgrafiker wäre ich am liebsten spornstreichs in die Walt Disney Studios in die USA gegangen. Aber in jener Zeit war daran nicht zu denken. Zusammen mit meiner Mutter wollte ich in die Schweiz zurückkehren, aber selbst das war mit so vielen Umständen verbunden, dass wir diesen Plan fallenließen.“

Ab 1951 zeichnet Wäscher auch für die Familienillustrierte Heim und Welt – Die Wochenzeitung für Alle. Regelmäßig liefert er vor allem düster-naturalistische Illustrationen zu Abenteuer- und Kriminalromanen sowie Kurzgeschichten, unter denen dann die entsprechende, in der Regel aktionsbetonte Textpassage nochmals als eine Art Bildunterschrift zitiert wird. Hier lernt er 1953 die Redakteurin Helga Bertelmann kennen, die er ein Jahr später heiratet; sie ist seit 1946 für Rudolf Augstein tätig gewesen und wechselt zu Heim und Welt, als Der Spiegel 1952 nach Hamburg umzieht.

Doch die Idee, es mit Comics zu versuchen, lässt Wäscher nicht los. Da ist zum einen die Erinnerung an die eigene Kindheit mit den italienischen Heften. Zum anderen die Beobachtung, dass sich das Vakuum in Deutschland mit den ersten zaghaften Vorstößen langsam zu füllen scheint (siehe Doppelseite Die Anfänge der Comics in Deutschland). Und drittens natürlich die allgemeine Stimmung des Aufbruchs, die Verheißungen des Wirtschaftswunders, das Gefühl, dass es nun vorangeht und dass Neues möglich ist. Wäscher macht sich an erste eigene Entwürfe, die beeinflusst sind von den Formaten seiner Kindheitslektüre wie die Idee zu einem Magazin mit mehreren Abenteuerreihen in Fortsetzungen. Dafür entstehen die farbige Sigurd-Seite, die er schließlich Lehning vorlegen wird, sowie noch andere Genrestoffe, „fünf oder sechs Seiten“: „Ein schlechter Film lief nur drei Tage, dann musste ich wieder ein neues Kinoplakat machen. Vom Winde verweht lief dann längere Zeit. So kam es, dass ich den Sigurd machte.“

Damit hat Hansrudi Wäscher das Entstehen jener Seite, mit der seine Comic-Laufbahn beginnen wird, zeitlich exakt eingegrenzt, denn Vom Winde verweht (1939) läuft in Deutschland erst am 15. Januar 1953 an; da die von ihm belieferten Kinos Erstaufführungstheater sind, ist seine erste Sigurd-Version demnach in der zweiten Januarhälfte, spätestens im Februar 1953 entstanden. Die Jahresschrift Deutsche Comicforschung allerdings rätselt noch 2011: „Auf jeden Fall muss seine Probeseite nach dem Herbst 1951 geschaffen worden sein, vermutlich aber später.“ Anlass für die Spekulation eines nicht genannten Autors sind in den USA 1951 erschienene Eisenherz-Seiten, auf die „Hansrudi Wäscher bei seiner ersten, dem Lehning Verlag als Probe eingereichten Seite von Sigurd auf Prince Valiant bzw. Prinz Eisenherz zurückgegriffen hat“, so der Anonymus weiter. „Wir wissen nicht, auf welche Ausgabe von Hal Fosters Ritterserie Hansrudi Wäscher seinerzeit Zugriff hatte. […] In Deutschland standen ihm die PhantomHefte des Aller Verlags zur Verfügung (seit 1952), aber auch die Alben aus dem Badischen Verlag (ab 1951; Nachdruck aus der Badischen Illustrierten; dort ab 1950).“

Dass weder das eine noch das andere allerdings zutreffen kann, hätte sich mit akademischer Sorgfalt leicht herausfinden lassen, genau genommen durch zwei Blicke: Die Alben des Badischen Verlags sind, als der dritte Band im Juli 1953 erscheint, erst bei den Originalfolgen von 1941 angelangt, hier also sind die zitierten Szenen nicht zu finden. Allers Phantom-Heft hingegen enthält Mitte Februar 1953 tatsächlich eine der Foster-Folgen (vom 21. Januar 1951), jedoch bestätigt das die Vermutungen hinsichtlich der möglichen Quelle keineswegs, ganz im Gegenteil: Gerade jenes Bild nämlich, das der Comic-Gelehrte als Beleg anführt und einer Prinz Eisenherz-Ausgabe von 1992 (!) entnommen hat, anstatt in den von ihm genannten Heften nachzusehen, ist bei der Ummontage der Sonntagsseiten auf das Heftformat unter den Tisch gefallen. Des Rätsels Lösung: Wäscher kennt Prinz Eisenherz im Original aus dem New York Journal American, von dessen Sonntagsbeilagen er damals einige besitzt. (Somit hätte theoretisch die Sigurd-Seite also sogar weit früher entstanden sein können als von den Comic-Forschern gefolgert.)

Heute ebenfalls noch erhalten ist ein Blatt, das von einer Expedition in den indischen Dschungel erzählt. Bemerkenswert daran ist, dass bereits hier jene sternförmigen Pflanzen mit ihren langen spitzen Blättern auftauchen, die von Burne Hogarth inspiriert scheinen und später für Wäschers Wälder typisch werden sollen. Und vor allem eine Detailfreude, atmosphärische Dichte und zeichnerische Dynamik, die den Arbeiten vieler etablierter Zeichner amerikanischer Zeitungsserien in nichts nachsteht und erkennen lässt, dass Wäscher die großen Könner wie Raymond, Foster oder Hogarth zu Vorbildern erkoren hat. Er orientiert sich mit diesem Blatt am Format der Sonntagsseiten in den USA und übernimmt auch eine ihrer Eigenarten: Unter seiner Dschungelseite findet sich ein humoristischer Zusatzstrip (der allerdings nicht von Wäscher, sondern von dessen Kunstdozenten Friedrich Endres stammt), wie er zu dieser Zeit auf vielen amerikanischen sunday pages Praxis ist.

Gleich unter mehreren Gesichtspunkten außergewöhnlich sind zwei Blätter Wäschers, die ein junges Paar zeigen, das in einer Südseeidylle von einem Hai angegriffen wird – ein Entwurf, der sich eindeutig an ein erwachsenes Lesepublikum richtet zu einer Zeit, als Comics schlechthin noch als „Bildidiotismus“ und „Rückfall ins Primitive“ gelten, und das längst nicht allein in Deutschland. Die einzelnen Panels sind nicht wie üblich rechteckig angelegt, sondern Wäscher entwirft eine Seitenarchitektur aus schrägen Bildformaten – ein damals einzigartiges Konzept, auf das er später in seinen „Großbänden“ zurückgreifen wird, und das der japanische Manga zwei Jahrzehnte später für sich entdecken und als ästhetisches Mittel zur Steigerung der zeichnerischen Dynamik kultivieren wird. Doch damit nicht genug, die Zeichnungen sind mit dem Pinsel und nicht mit der Feder oder einem Stift ausgeführt, und ihre Farbigkeit (allein in nuancierten Brauntönen) ist im Gegensatz zur gängigen Kolorierung schwarzer Konturzeichnungen untrennbarer Bestandteil des Originals; später wird man diese Technik in Frankreich couleur directe taufen, ein Verfahren, das zu dieser Zeit jedoch einzig der Engländer Frank Hampson in seiner Serie Dan Dare, Pilot of the Future für das britische Magazin Eagle anwendet. Es lässt sich hier also ein erstaunlich innovativer Entwurf konstatieren, mit dem Wäscher seiner Zeit gleich in mehrerlei Hinsicht weit voraus ist.

„Diese ganze Idee mit dem Heft mit verschiedenen Fortsetzungsserien wie in Italien, das war ein Phantom“, so Wäscher heute. „Die Arbeit wäre überhaupt nicht zu leisten gewesen. Das war alles viel zu aufwendig, das hätte als regelmäßig erscheinendes Heft nie funktionieren können.“ Inzwischen aber hat er in Italien die Piccolos entdeckt, und in diesem Format zeichnet er nun das Heft Arizona Bill. Die erste Folge hat den Titel Duell in Ghost-City und ist eine klassische Western-Erzählung. Die Zeichnungen sind spröde, gewinnen ihre nichtsdestoweniger dichte Atmosphäre aber vor allem durch eine feine Schraffurtechnik und einen Detailreichtum, den Wäscher später bei Lehning aufgrund des enormen auf ihm lastenden Produktionsdrucks nicht wird beibehalten können. In dem Deutsche Comicforschung-Band für 2010 sinniert der Autor eines Aufsatzes über Hansrudi Wäscher und das Phänomen der Piccolos einmal mehr zum Entstehungsdatum, das „in der Sekundärliteratur auf 1946/47 datiert“ wurde (so stand es 1981 mal in der Sprechblase): „Da dieses Frühwerk ganz offensichtlich als Streifenheft angelegt ist (dafür spricht der Coverentwurf), derartige Hefte in Italien aber erst Ende 1948 erschienen, muss dieses Datum angezweifelt werden.“ Tatsächlich entsteht Arizona Bill sogar wesentlich später als 1948, nämlich im Frühjahr 1953, was die Synchronizität der Pläne Wäschers und Lehnings bestätigt.

Doch noch bevor Wäscher sein Vorhaben weiter ausreifen lassen kann, entdeckt er eines Tages nun Akim – der Sohn des Dschungels an einem Zeitschriftenkiosk. Walter Lehning ist ihm mit seinen Piccolos zuvorgekommen.

(erstes Kapitel aus Andreas C. Knigge: Allmächtiger! Hansrudi Wäscher. Pionier der deutschen Comics, Edition Comics etc., Hamburg 2011)

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