BATMAN

Bill Finger – Bob Kane

Im Schein einer Kerze kniete der halbwüchsige Bruce Wayne nach der Beerdigung seiner Eltern vor seinem Bett nieder und betete: „Und ich schwöre bei den Seelen meiner Eltern, ihren Tod zu rächen, indem ich für den Rest meines Lebens jeden Verbrecher bekämpfen werde.“ Ein paar Tage zuvor war der Familie auf dem Rückweg vom Kino von einem Straßenräuber aufgelauert worden. Der Vater wehrte sich, der Gangster schoss, die Mutter schrie, es fiel ein zweiter Schuss. Immerhin erbte der Junge ein beträchtliches Vermögen, das es ihm erlaubte, sich ungestört durch Experimente und Körpertraining auf seine Aufgabe vorzubereiten. 15 Jahre später sah er in einer sommerlichen Vollmondnacht die Stunde gekommen, dem Verbrechen den Krieg zu erklären, es fehlte nur noch ein Markenzeichen: „Gangster sind ein abergläubisches und feiges Pack. Meine Verkleidung muss ihnen Furcht in die Herzen jagen. Ich muss ein Wesen der Nacht sein, schwarz, furchtbar …“ Da verirrte sich durch das geöffnete Fenster eine Fledermaus in Bruce Waynes Kaminzimmer.

Seit drei Generationen schon wird die Legende von Batman in immer neuen Varianten überliefert und im Wind des Zeitgeists und der Moden weiter ausgeschmückt. Als Bill Finger und Bob Kane sie im November 1939 zum ersten Mal erzählten, gaben sie einer Kreatur eine Geschichte, die schon ein halbes Jahr zuvor in dem Heft Detective Comics wie aus dem Nichts im Dunkel der Nacht aufgetaucht war und einen Serienmörder dingfest gemacht hatte. Schon im folgenden Monat prangte auf dem Cover des Heftes über dem Titel die Ankündigung „This Month and Every Month: The Batman!“. Niemand kannte die Herkunft des geheimnisvollen Fledermausmenschen, selbst die Polizei hielt ihn für einen Unhold und machte Jagd auf ihn.

Detective Comics war eins der ersten comic books, das sich ganz auf ein Genre spezialisierte; Jerry Siegel und Joe Shuster hatten hier, bevor sie mit Superman debütierten, Slam Bradley, eine Serie um einen Privatdetektiv, veröffentlicht, der am liebsten mit den Fäusten argumentiert. Als das Schwesterheft Action Comics mit Superman abhob, suchte der Redakteur Vincent Sullivan für Detective Comics ebenfalls nach einem „costumed hero“ und sprach den Zeichner Bob Kane an. „Sullivan sagte, Siegel und Shuster würden mit Superman 800 Dollar die Woche verdienen, während ich zwischen 35 und 50 machte. Das war an einem Freitag, und ich sagte: ‚Wenn da so viel drin ist, hast du was am Montag.‘“ „Er brachte die Entwürfe, und ich fand, es sah ziemlich gut aus, eine interessante Figur“, erinnerte sich Sullivan später. „Niemand hat damals auch nur geahnt, was daraus werden würde, nicht einmal Kane und Finger.“

Kane hatte eine Idee aus der Schublade gezogen, zu der ihn schon vor etlichen Jahren Leonardo da Vincis Flugapparate inspiriert hatten, einen „bird-like man who tries to fly like a bat“, wie es auf einem im Januar 1934 entstandenen Skizzenblatt notiert steht. Weitere Inspirationsquellen waren Roland Wests Stummfilm The Bat (1926), der maskierte Douglas Fairbanks in Im Zeichen des Zorro (1920) sowie die Pulphefte: Eins davon hieß 1933 Black Bat, und für Spicy Mystery hatte Lew Merrill 1936 eine Gruselstory geschrieben, die sogar mit Batman betitelt war. Kane entwarf eine schwarz maskierte Figur mit Leonardo-Flügeln und roten Strümpfen, wie Superman sie trug, dann holte er Bill Finger dazu. Die Socken entfielen ebenso wie die Augen unter der Maske, dafür bekam Batman nun Fledermausohren. „Auch die Flügel mochte ich nicht“, so Finger, „und ich schlug statt dessen einen Umhang vor.“ Kane hatte die Blaupause für Batman geliefert, Finger beseelte die Figur.

Das erste Abenteuer erschien im Mai 1939 in Detective Comics 27. Auf dem Cover schwingt Batman an einem Seil über die Dächer einer namenlosen Stadt (erst zwei Jahre später wurde sie Gotham City getauft), mit dem anderen Arm einen Gangster im Schwitzkasten umklammernd. In der Regel erledigte Batman seine Gegner mit einem aus der Dunkelheit kommenden Kinnhaken, aber in besonders schweren Fällen war er wenig zimperlich. Den fiesen Doctor Death etwa ließ er in dessen Labor verbrennen (er entkam allerdings unbemerkt und tauchte später wieder auf), einen als Mönch verkleideten Vampir erledigte er mit silbernen Kugeln. National Periodicals rief Kane zur Mäßigung, und bald begann Batman mit der Polizei zusammenzuarbeiten.

Mit dem Verlag hatte nur Kane einen Vertrag. Finger arbeitete quasi als dessen Angestellter, und von Beginn an schrieben auch andere Autoren an der Serie mit. Gardner Fox etwa führte in der fünften Story Batmans Verlobte Julie Madison ein, die jedoch bald störte und wieder verschwand, und erfand den erfolgreicheren Bat-Bumerang, der fortan zu Batmans bevorzugten Waffen zählte. Batman entwickelte sich als Gemeinschaftsprodukt, doch alle Storys trugen stets nur die Signatur Bob Kanes. Die Idee zu Robin haben Kanes Assistenten Sheldon Moldoff und Jerry Robinson gleichermaßen für sich reklamiert: Im Kostüm des „boy wonder“ steckt der junge Dick Grayson, dessen Eltern, beide Artisten, in der Zirkuskuppel ebenfalls Opfer eines Verbrechens geworden waren. Batman nimmt ihn bei sich auf (worin Jugendschützer bald einen Verstoß gegen die Sittlichkeit witterten) und bildet ihn zu seinem Partner im Kampf gegen das Verbrechen aus. Gleichzeitig mit Robins Debüt in Detective Comics 38 bekam Batman im April 1940 auch ein nach ihm benanntes Heft, und ab 1941 erlebte er zusätzlich weitere Abenteuer Seite an Seite mit Superman in dem Heft World’s Finest. 1943 kam ein Film-Serial mit 15 Episoden in die Kinos (ein weiteres folgte 1948), und es starteten ein Zeitungsstrip und eine Hörspielserie im Radio.

Die ersten Storys waren noch von Fingers Vorliebe für Sherlock Holmes geprägt, doch schon bald mutierte Batman zu einer bizarren, beinahe expressionistischen Fantasy-Komödie. Der nächtliche Asphaltdschungel explodierte zu einer düsteren Bühne für makaber inszenierte Duelle mit einem ganzen Kabinett von Widersachern, die wirken, als wollten sie den skurrilen Schurken aus Dick Tracy Konkurrenz machen. Im April 1940 trat in der ersten Ausgabe von Batman der Joker auf den Plan, ein in grellen Farben geschminkter Psychopath in einem lila Anzug und mit grünen Haaren (das Vorbild war Lon Chaney in dem Stummfilm Das Phantom der Oper von 1925), der Batman durch rätselhafte Hinweise auf seine Fährte zu locken versucht. Ihm folgten weitere Serientäter wie Catwoman, Penguin, Two-Face und der Riddler, die Batman bis heute penetrieren. Die besten Storys schrieb zumeist Finger, dessen Scripts stark auf eine groteske visuelle Wirkung ausgerichtet sind. Eine seiner Spezialitäten waren überdimensionale Vergrößerungen von Alltagsgegenständen, ein fünf Meter hohes 25-Cent-Stück etwa, das Two-Face Batman entgegenschleudert. Die Ästhetik der Serie wurde ab Anfang der 1940er Jahre maßgeblich von Jerry Robinson geprägt, der die bedrohliche Stimmung der Geschichten atmosphärisch dicht umsetzte.

Obwohl Batman als Reaktion auf den Superman-Erfolg entstanden war, unterscheiden sich die Charaktere grundlegend. Batman verfügt über keinerlei Superkräfte, statt dessen haftet ihm das emotional-triebhafte Element der Pulphelden an. Er ist ein Geschöpf der Nacht, und sein Motiv ist die Rache. Den Mörder seiner Eltern konnte er schließlich 1948 in der Story The Origin of the Batman stellen: Er starb am Ende im Kugelhagel seiner eigenen Kumpane – als Quittung dafür, dass durch seine Schuld Batman den Gangstern in Gotham City das Leben vermieste. Batman ließ sich inzwischen von Commissioner Gordon per Bat-Signal, einer in den Himmel projizierten Fledermaus, zu Hilfe rufen, wenn die Polizei ohne ihn nicht weiterkam – was zumeist in Vollmondnächten der Fall war. Er operierte von einem geheimen Stützpunkt aus, den er in der Kalksteingrotte unter seinem Landsitz eingerichtet hatte. Aus der Bat-Höhle, über die seit 1943 der Butler Alfred wacht, ist längst eine High-Tech-Kommandozentrale mit Hangars für einen Bat-Copter und Bat-Planes sowie einem Anleger für das Bat-Schnellboot geworden.

„Batman wird sich alle zehn Jahre verändern müssen, um auf dem Stand der Zeit zu bleiben“, hatte Bob Kane das Erfolgskonzept definiert, und seine Einschätzung hat sich als richtig erwiesen. Nachdem der Verlag in den 1950er Jahren versucht hatte, die Kids mit albernen Figuren wie Batwoman, einem Bat-Hund oder dem schrillen Bat-Winzling Bat-Mite (Bat-Milbe) zu locken, wurde Batman 1966 mit einer poppigen ABC-Fernsehserie mit Adam West und Burt Ward camp. 1968 übernahm Neal Adams die Serie und gab ihr die bedrohliche Atmosphäre der Anfangsjahre zurück. In diesem Kontext wirkte der jugendliche sidekick, mit dem sich die pubertierenden Leser hatten identifizieren sollen, unpassend; Robin verschwand aus dem Comic und kam aufs College (später begann er als Nightwing eine eigene Superheldenkarriere). 1983 erhielt Batman mit Jason Todd einen neuen Robin als Begleiter, der jedoch nach fünf Jahren in der Geschichte A Death in the Family dem Joker zum Opfer fiel: Die Leser hatten telefonisch über sein Schicksal abstimmen können, 5.271 entschieden sich für und 5.343 gegen Robin (als Robin III trat 1990 Tim Drake auf den Plan).

Ein spektakulärer Erfolg gelang schließlich 1986 Frank Miller mit der Erzählung The Dark Knight Returns. Miller verwüstete Batmans Welt, indem er sie der Realität anglich: Angesichts von Korruption und Gewalt auf den Straßen kehrt sein gealterter Dunkler Ritter aus dem Ruhestand zurück, um noch einmal gegen seinen ewigen Erzfeind Joker anzutreten, und entpuppt sich dabei als amoklaufender Psychopath. Das Bedrohliche wohnte nun nicht mehr allein in der Nacht um ihn herum, sondern auch in ihm selbst.

William Finger kam am 8. Februar 1914 in New York zur Welt. Als er 1938 Bob Kane kennenlernte, war er Schuhverkäufer. Noch im gleichen Jahr taten sie sich zusammen und veröffentlichten ihren ersten Comic Rusty and His Pals in dem Heft Adventure Comics. Ein halbes Jahr später debütierten sie in Detective Comics mit The Batman. Finger schrieb auch für andere Serien wie Plastic Man und Superman sowie ab Anfang der 1950er Jahre Radio-Hörspiele und 1969 das Drehbuch zu dem Science-Fiction-Film Monster aus dem All. Er gilt als einer der kreativsten Comic-Autoren der 1940-er Jahre. Bill Finger starb am 24. Januar 1974.

Bob Kane wurde am 24. Oktober 1916 als Robert Kahn in Denver geboren und fing 1936 als Assistent im Zeichenstudio von Jerry Iger an. Zwei Jahre später veröffentlichte er erste eigene Arbeiten in den Heften des Verlags National Periodicals, debütierte im Mai 1939 in dem Heft Detective Comics mit Batman und musste wegen des spontanen Erfolgs noch im gleichen Jahr erste Assistenten engagieren. Ab Ende der 1950er Jahre zog sich Kane immer mehr von Batman zurück, wurde aber noch bis 1968 als Zeichner genannt. Für das Fernsehen produzierte er 1958 die Zeichentrickserie Cool McCool, und 1969 stellte er seine von der Pop-art inspirierten Gemälde in New York aus. Kane starb am 3. November 1998.

(Andreas C. Knigge: 50 Klassiker Comics. Von Lyonel Feininger bis Art Spiegelman, Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 2004) 

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