DAS BILD HÄNGT SCHIEF

In der Nacht des 22. August starb im Alter von 87 Jahren Victor von Bülow alias Loriot. Mit Knollennasen strichelte er sich Mitte der Fünfziger zum bedeutendsten deutschen Humoristen seit Wilhelm Busch. Bis heute ist das Multitalent unerreicht. Ein Nachruf von Andreas C. Knigge

Ein halbes Jahrhundert lang hat er den Finger an die deutsche Seele gelegt, das Monstrum in Karikaturen, Zeichentrick, Fernsehsketchen und Kinofilmen zur Schau gestellt und feinsinnig seziert. Loriot hat vom Alltag hoffnungslos überforderte Knollennasen aufs Papier gezaubert und auf den Bildschirm, die ungelenk Halt suchen in bierernster Etikette und stoischer Beharrlichkeit, selbst bei der schon längst verlorenen Rechtfertigung des größten Unfugs noch. Anfangs verstört er damit und verärgert. Doch als die Deutschen verstehen, dass Loriot nicht über sie lacht, sondern mit ihnen, dass er in seiner Verkörperung von Biedermeier und preußischer Gesittung (bis hin zum niemals fehlenden Schlips) einer von ihnen ist, schließen sie ihn ins Herz und lassen sich von niemandem sonst lieber den Spiegel vorhalten. Loriot ist spitzfindig und scharf, nie jedoch gehässig oder verletzend. Seine Botschaft lautet: Seht her, das sind wir. Das mag ja grässlich sein oder peinlich, aber so ist es nun mal. Und immerhin ist es doch auch komisch … Diese Botschaft ist ein einzigartiges Erfolgsrezept.

Sein bürgerlicher Name macht richtig was her, Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow. Geboren zwischen zwei Weltkriegen, am 12. November 1923 in Brandenburg an der Havel. Kein guter Zeitpunkt, es herrschen Inflation, Arbeitslosigkeit, Hunger, vor wenigen Monaten hat Frankreich das Ruhrgebiet besetzt, Hitler inszeniert seinen ersten Parteitag, es herrscht die Furcht vor einem Bürgerkrieg. Gerade ist Adolf Oberländer gestorben, neben Busch der populärste Karikaturist der goldenen Ära der Fliegenden Blätter und der Münchener Bilderbogen. Und die Berliner Funkstunde hat eben das erste Unterhaltungskonzert übertragen, der Beginn des Zeitalters der Massenmedien.

Die von Bülows sind ein altes Adelsgeschlecht mit Stammhaus in dem gleichnamigen Dorf im Nordwesten Mecklenburgs, urkundlich erwähnt bereits anno 1154. Der Vater ist Berufsoffizier, streng aber gerecht, Gefühle spielen in seiner Welt keine große Rolle. Den Sohn nennt er Vicco, und der scheint keineswegs unter dem distanzierten Familienleben zu leiden, im Gegenteil: „Man kann näher an sich herankommen, ohne sich unangenehm zu werden“, wird er später einmal sagen.

Der Junge ist noch keine fünf Jahre alt, als sich die Eltern scheiden lassen, die Mutter stirbt kurz darauf. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder verbringt er die nächsten Jahre bei der Großmutter in Berlin-Wilmersdorf. Erst als der Vater 1932 wieder heiratet, kehren die Kinder zurück nach Brandenburg. 1938 zieht die Familie um nach Stuttgart, wo Victor drei Jahre später das Notabitur macht und als Statist bei einer Aufführung von Schillers Triumph eines Genies seine erste Schauspielerfahrung.

Gemäß der Familientradition – „die wurde seit Jahrhunderten nicht in Frage gestellt“ – schlägt er die Offizierslaufbahn ein und verbringt drei Jahre mit einer Panzerdivision an der Ostfront, Oberleutnant, Eisernes Kreuz zweiter und erster Klasse. Der Bruder fällt 1945. Ob er ein guter Offizier gewesen sei, fragt ihn 2002 das SZ-Magazin. „Nicht gut genug“, antwortet Victor von Bülow. „Sonst hätte ich am 20. Juli 1944 zum Widerstand gehört. Für den schauerlichen deutschen Beitrag zur Weltgeschichte werde ich mich schämen bis an mein Lebensende.“

Victor ist 21, als der Krieg zu Ende geht. Ein Jahr schlägt er sich im Solling in Niedersachsen als Holzfäller durch, um an Lebensmittelkarten zu kommen, dann beginnt er 1947 ein Studium an der Landeskunstschule in Hamburg. Der gestrenge Vater steht ihm nicht im Wege. „Er war ein Mann ohne Vorurteile. Er erkannte einen künstlerischen Beruf für seinen Sohn als richtig, obwohl er selbst, abgesehen von einer Neigung zum Vortragen klassischer Balladen, nicht musisch veranlagt war“. Als Victor zwei Jahre später seinen Abschluss macht, hat er keine Ahnung, was aus ihm werden soll. Eine Idee ist, als Farmer nach Afrika zu gehen, – „warum, weiß ich auch nicht“ –, eine andere Straßenarbeiter: „Unter diesen Zelten mit den Kabeln mich zu beschäftigen“ würde ihn reizen.

Da erfährt er Ende 1949, dass die Hamburger Zeitschrift Die Straße Karikaturisten sucht. „Das ist weit unter meiner Würde, so weit kann ich mich nicht vergessen“, ist seine erste Reaktion. „Wer an der Kunstakademie lernt, der lernt Formales und Kunstgeschichte und ist sehr hoch angesiedelt, auch gegen sich selbst.“ Doch pro Cartoon gibt es fünfundzwanzig Mark, und so „siegte der schnöde Mammon und ich habe drei Zeichnungen gemacht und schwamm infolgedessen plötzlich in Geld. Das hat mich wohl korrumpiert.“ Von seinem ersten Honorar kauft er sich einen blauen Schlips. Anfang 1951 jedoch wird Die Straße, eine von Henri Nannen lancierte Konkurrenz zum Spiegel, eingestellt. Von Bülow wechselt zu Nannens Stern.

Und so wird aus Victor von Bülow schließlich Loriot und die stets korrekt eingekleidete Zeichenfigur mit der Knollennase zu dessen Markenzeichen. „Anfangs hatten meine Figuren noch spitze Nasen, aber durch das häufige Zeichnen rundeten die sich langsam ab. Das entstand sozusagen von allein.“ Zu seinem Pseudonym hat ihn der Pirol im Familienwappen der von Bülows inspiriert, der französisch „loriot“ heißt. Allerdings fällt das Lachen der Nachkriegsgesellschaft noch schwer, vor allem das Lachen über sich selbst. Loriot eckt an mit seinen sich in ihrer eigenen Natur verheddernden Spießbürgern, besonders, als er 1953 mit Auf den Hund gekommen seine erste Serie beginnt.

Die Idee basiert auf einem Rollentausch, Hunde gebärden sich wie Menschen und umgekehrt. „Entsetzlich“, mault ein aufrecht dastehender Vierbeiner einmal angesichts einer Meute über sich herfallender Hutträger. „Sie sind nur einzeln zu ertragen!“ Den Stern erreicht eine Flut von Beschwerden, in einer heißt es: „Ich sehe in den Bildern eine starke Herabsetzung des ‚homo sapiens‘. So weit darf es doch nicht gehen!“ Die Resonanz ist derartig vernichtend, dass Nannen sich ernsthaft um die Auflage sorgt und nach sieben Folgen den Stecker zieht: „Ich will den Kerl nie wieder im Stern sehen!“

Für Loriot eine Katastrophe, gerade hat er geheiratet, seine Frau Romi ist schwanger. Doch dann wenden sich die Dinge doch zum Guten. Zum einen startet der Stern im Sommer 1953 die Kinderbeillage Sternchen und engagiert neben Roland Kohlsaat (Jimmy das Gummipferd) und Hans Jürgen Press (Der kleine Herr Jakob) auch Loriot als Zeichner. Dessen neue Serie heißt Reinhold das Nashorn. Nannen fragt den Zeichner, den er erst kurz zuvor nie wieder hatte drucken wollen, wie lange seine Idee mit dem Rhinozeros wohl trage. „Zwei Monate“, sagt Loriot. Am Ende werden es siebzehn Jahre. Die ersten Folgen signiert Loriot mit „Pirol“, denn da er inzwischen auch für die Stern-Konkurrenz Quick zeichnet, beansprucht die sein Pseudonym als eine Art Markenzeichen und beharrt auf Exklusivität.

Auch das Nashorn bleibt nicht lange unbeanstandet. Als sich Reinhold – „Ja, so geht’s: Wer sich bedreckt, der ist hinterher befleckt“ – etwa in der Folge vom 28. April 1956 in einen chemischem Waschbottich stecken lässt, beschwert sich umgehend der Hauptverband Färberei und chemische Reinigung wegen angeblicher „Geschäftsschädigung in besonderem Maße“. Es handele sich um eine „Verächtlichmachung des Chemisch-Reinigungs-Gewerbes“, heißt es in einem Brief an den Stern. Denn im letzten Bild hat Loriot (was sich durchaus auch in zeitgeschichtlichem Kontext lesen ließe) gedichtet: „Gänzlich neu … wie sonderbar! Nur der Dreck blieb, wo er war.“ Doch bleiben das nun vereinzelte Reaktionen, die Reinhold nicht ernsthaft bedrohen. Als das langwierige Gehakel mit der Quick 1959 endlich beigelegt ist, zieht Reinhold das Nashorn vom Sternchen sogar um auf die Seiten des großen Stern.

Zum anderen lernt Loriot 1953 auf der Buchmesse in Frankfurt Daniel Keel kennen, der zwei Jahre zuvor in der Schweiz den Diogenes Verlag gegründet hat und nach einem „deutschen Witzzeichner“ sucht. 1954 druckt Keel Loriots erstes Buch, Auf den Hund gekommen, Untertitel: „44 lieblose Zeichnungen“. Während des nächsten halben Jahrhunderts folgen, vornehmlich bei Diogenes, unvergessene Klassiker wie Der gute Ton, Loriots heile Welt und 1983 auch Möpse und Menschen. Eine Art Biographie, mit der sich Loriot einmal mehr als Hundefreund outet: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.“

Auch Berührungen mit dem Kino ergeben sich, Loriot übernimmt kleinere Rollen in den Antikriegsfilmen Haie und kleine Fische (1957), Die Brücke (1959) und Der längste Tag (1962). 1963 zieht er mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern um nach Ammerland am Starnberger See, das sein künftiges Zuhause wird. Durch das „Wirtschaftswunder“ hat sich das Klima im Land merklich entspannt, im September 1962 erscheint zum ersten Mal die „deutsche satirische Monatsschrift“ pardon, das Titelbild ziert eine von Loriots inzwischen längst berühmten Knollennasen.

Und von 1967 bis 1972 moderiert er als Autor und Co-Regisseur drei- bis viermal im Jahr die Fernsehreihe Cartoon, für die er mit Humor in der BRD seinen ersten Zeichentrickfilm produziert (bereits die nächste Folge trägt den Titel Sollen Hunde fernsehen?). Die Idee dazu stammt ausgerechnet aus der Abteilung für Dokumentarfilm der ARD; die Reihe soll ursprünglich über Entwicklungen in der Karikatur berichten, entwickelt sich aber schnell zu einem humoristisch-satirischen Format. Damit eröffnet sich für seinen Humor ein ganz neues Transportmittel, das Loriot ebenso formidabel wie eigenwillig zu nutzen versteht. „Als ich anfing, Zeichentrickfilme zu drehen, wollte ich nicht die übliche Masche wiederholen. Das zappelige Tempo gefiel mir nicht. Ich sah den Reiz des Zeichentrickfilms in einer ungewohnten Langsamkeit, in seiner Nähe zur Realität.“ Für Cartoon entstehen Klassiker wie Nudelkrise oder Der Pianist. 1971 wendet sich Wim Thoelke auf der Suche nach einem Maskottchen für seine ZDF-Quizshow Drei mal Neun an Loriot. Natürlich kommt dabei ein Hund heraus, der auf einem zeittypischen roten Knautschkissen hockende Wum, der ein Jahr später mit dem Banjo-Song Ich wünsch mir ‘ne kleine Miezekatze neun Wochen lang die deutsche Hitparade anführt; Loriot hat Wum für dessen Sprechgesang seine Stimme geliehen. 1974 übernimmt Wim Wum auch in seine neue Show Der große Preis, Loriot schreibt, produziert und spricht bis 1996 zweihundertfünfzig Auftritte.

Loriots Popularität und Beliebtheit ist inzwischen gewaltig. Bei Umfragen nach den beliebtesten Deutschen liegt er regelmäßig im vordersten Feld, auf den Grimme-Preis 1973 folgen in den nächsten Jahren das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland sowie alles andere, das an Auszeichnungen Rang und Namen hat. In einem Spiegel-Interview antwortet Loriot 2006 auf die Frage nach dem Geheimnis seines Erfolges: „Es mag auch daran liegen, dass ich immer versucht habe, mich von aktuellen Trends und Moden fernzuhalten und stattdessen Allgemeingültiges zu erzählen.“

1974 folgt für Radio Bremen Loriots Telecabinet und für den gleichen Sender 1976 bis 1978 zweimal im Jahr Loriot, anfangs noch unter dem Titel Loriots sauberer Bildschirm. Hier gesellt sich der Sketch zum Zeichentrick, ein bis dahin ungewohntes TV-Format, Loriot schreibt damit Fernsehgeschichte. Er spielt selbst und findet in Evelyn Hamann eine kongeniale Partnerin – obwohl „Frauen und Männer passen eigentlich nicht zusammen“ zu den bekanntesten Lebensweisheiten aus seiner Feder zählt.

Regelmäßiges Thema der bizarren Sketche sind die sich ins Groteske steigernden Versuche der Figuren, die vermeintliche Würde ihres Selbst zu verteidigen, etwa durch unverdrossenes Beharren auf Missverständnissen: „Kommunikationsgestörte interessieren mich am allermeisten. Alles, was ich als komisch empfinde, entsteht aus der zerbröselten Kommunikation, aus dem Aneinander-vorbei-Reden. Das sind Missverständnisse, die nicht nur im Kleinen eine Rolle spielen, sondern im Großen auch. Und deshalb sind die kleinen so interessant.“

Nahezu jeder seiner Sätze hat Zitat-Qualität, Loriot feilt Stunden an den absurden Dialogen, schreibt sie immer wieder um: „Die Tätigkeit eines Humoristen ist eine sehr nachdenkliche Arbeit am Schreibtisch, die ungeheure Konzentration verlangt.“ Dazu eine Mimik, innere Windungen offenbarend oder in Lächerlichkeit erstarrt, in der er sich perfekt mit der Hamann ergänzt, sowie der ihm eigene Duktus von Sprache und Betonung.

„Jede Komik, die man wiedergeben will, geht über den Intellekt“, weiß Loriot. Seine pedantisch präzisen Inszenierungen sind hermetische Kunstwerke, in denen alles perfekt aufeinander eingestellt ist, vom Timing bis hin zur Garderobe oder grotesken Namen – wer kann sich seit einem Herrn Müller-Lüdenscheidt heute noch das Grinsen über eine Leutheusser-Schnarrenberger verkneifen? „Komik im Verhalten von Menschen entwickelt sich aus Normalität. Heitere Fantasienamen schieben die Situation auf eine ganz andere, unwirkliche Ebene. Der große humoristische Stilist Thomas Mann machte mich immer etwas ratlos mit den Herren Kuckuck, Pepperkorn und Grünlich.“ So etwas hätte in seinem Falle „die Sache erwürgt“.

Auch das Aufspüren von Sprachungetümen gehört zu Loriots Spezialitäten, vor allem Worte wie „Zitronencreme-Bällchen“ oder „Mokka-Trüffelparfait“ haben es ihm angetan und „Kalbshaxe Florida“. „Zahnersatz-Zusatzversicherung würde sicher dazugehören, aber auch Rentnerschwemme. Eigentlich bereits Gesundheitsreform. Denn Gesundheit soll dabei ja nicht reformiert werden, soweit ich das beurteilen kann.“

Loriots Sketche gehen ins kollektive Gedächtnis der Deutschen ein – allerdings nur der Deutschen, im Ausland ist er so gut wie unbekannt, da sich sein sprachlicher Witz kaum übersetzen lässt. „Aber wo ist zum Beispiel französischer oder englischer Humor wirklich bei uns angekommen? Es gibt wohl so etwas wie nationale Spaßgrenzen.“ Im deutschsprachigen Raum hingegen gehen etliche seiner Wortschöpfungen ins allgemeine Sprachgut ein, das „Jodeldiplom“ etwa oder „Kosakenzipfel“. Formulierungen wie „Sagen Sie jetzt nichts!“ oder das lakonische „Ach!“, gerne auch aufgeblasen zu „Ach was …!“, mit dem sich die bedeutungsschwangere Ausführung eines Gegenübers vernichtend ausbremsen lässt, werden beliebte Zitate.

Bereits nach sechs Folgen jedoch eröffnet Loriot Radio Bremen, dass er die Sendung nicht fortsetzen wolle; er sei nicht der Meinung, sich noch steigern zu können. „Bestimmte komische Situationen haben alle ein ihnen zukommendes Medium“, sagt er und bekräftigt damit sein Selbstverständnis als Humorist, der keineswegs an eine spezifische Ausdrucksform gebunden ist wie die Karikatur oder den Bildschirm. (Regelmäßig ist er im Fernsehen nun nur noch in der Sendereihe Report zu sehen, für die er 1980/81 regelmäßig Sketche liefert.) „Natürlich haben die Deutschen genauso viel Humor wie jedes andere Volk auch“, befindet Loriot. „Nur ordnen sie das Komische auf ihrer Werteskala ganz woanders ein. Der Komiker ist ganz weit unten. Der Tragöde ist ganz oben.“

Anfang der Achtziger erschließt er sich die Musik, die ihm „seit jeher näherliegt als das Zeichnen“ (und oft schon Gegenstand auch seiner Gags war), und die Oper. Zum hundertsten Geburtstag der Berliner Philharmoniker dirigiert er 1982 das „humoristische Festkonzert“, dann inszeniert er als Regisseur die Oper Martha an der Staatsoper Stuttgart und bei den Schlossfestspielen in Ludwigsburg Der Freischütz.

Und 1988 – er wird demnächst 65 – nimmt er einen Faden wieder auf, der sich Anfang der Sechziger verloren hatte, den Film. Als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller dreht Loriot mit Ödipussi (als dessen Paul Winkelmann er später noch einmal in Otto – Der Außerirdische auftreten wird) einen der größten deutschen Kinoerfolge, drei Jahre später gefolgt von Pappa ante Portas, natürlich beide Male zusammen mit Evelyn Hamann. „Es wird in keinem meiner Filme irgendwo gelacht, nirgendwo“, stellt er klar. „Lachen sollen die Zuschauer.“ Auch die haben in seiner Dramaturgie stets ihren festen Platz.

Loriot, das Multitalent. „Die berufliche Frage ist bei mir eigentlich nie ganz gelöst worden“, sagt er einmal dazu. „Ich habe einfach immer nur getan, was mir Spaß macht.“ Humor habe nichts mit Erfahrungen zu tun, sondern sei ihm „eher zugestoßen“: „Er ist eine Eigenschaft wie andere dankenswerte oder bedauerliche Gaben, die ein Mensch so mitbekommt.“

Vor fünf Jahren erst hat Loriot bei Johannes B. Kerner bekannt gegeben, sich vom Fernsehen zurückzuziehen, die zunehmende Schnelllebigkeit liefe seinem Humor zuwider. „Auch muss deutlich gesagt werden, dass ein perfekter Werbeblock im Fernsehen seine Wirkung verfehlt, wenn er alle paar Minuten von einem unverständlichen Spielfilmteil unterbrochen wird.“ Loriot beginnt zu malen, Bilder, auf denen sich seine Kunst der Karikatur mit kubistischen Formen und kräftigen Farben vereint und die 2008 im Museum für Film und Fernsehen in Berlin ausgestellt werden. Will er sich im Alter nun auf museales Terrain wagen? Loriot winkt ab. „Wodurch unterscheidet sich der Karikaturist vom bildenden Künstler? Der bildende Künstler schneidet sich gelegentlich ein Ohr ab, der Karikaturist nicht.“

„Wenn ich alt und klapprig bin und keinen Gedanken mehr im Kopf habe und nicht mehr weiß, wo oben und unten ist, dann höre ich auf“, meinte er einmal. Sterben wolle er vorbereitet, dann aber auch zügig: „Ich möchte es vorher wissen und Zeit haben.“ Das ist nun anders gekommen, der Tod hat Loriot im Schlaf überrascht. Was so allerdings auch eine gute Seite hat: Nie hat Loriot mit etwas aufhören müssen, ohne damit tatsächlich auch aufhören zu wollen, aus freien Stücken.

Als ihn das SZ-Magazin einmal fragte, was er sich als Inschrift auf seinem Grabstein wünsche, antwortet er: „Zweckmäßig wäre es, wenn der Name draufstünde.“ Als „lebensklugen Beobachter menschlicher Schwächen“ hat Bundespräsident Wulff den großen Humoristen gewürdigt. „Wir haben durch Loriot lachen gelernt über die kompliziertesten und allereinfachsten Schwierigkeiten des Lebens.“ Loriot habe das kulturelle Leben in Deutschland über Jahrzehnte geprägt, so Bundestagspräsident Norbert Lammert, und „ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Deutschen ein gelassenes Bild ihrer Mentalität und Gewohnheiten gewinnen konnten“. Marcel Reich-Ranicki nannte ihn den „geistreichsten Humoristen unserer Zeit“, für die FAZ gar ist heute die deutsche Nudel ohne ihn „nicht mehr denkbar“ und der Spiegel widmete ihm einen Titel: „Loriot. Eine Verneigung.“

Letztes Jahr hat er einen Stern auf dem Berliner Boulevard der Stars bekommen, Anfang 2011 noch ehrte ihn die Post mit vier Sondermarken: Typische Knollennasen, wie er sie vor sechzig Jahren zum ersten Mal auf seine Leser losgelassen hat, in Szenen aus Klassikern wie Männer in der Badewanne oder Das Frühstücksei. Und schon hat man dazu die Dialoge im Kopf.

„Berta!“

„Ja …“

„Das Ei ist hart …!“

Der einzige Comic, den Loriot jemals geschrieben und gezeichnet hat, bleibt Reinhold das Nashorn. Diesen Klassiker, über siebzehn Jahre hinweg im Sternchen erschienen und nur zweimal, 1954 und 1968, auch als Buch, wieder aufzulegen – das wäre jetzt wahrlich eine gute Tat!

(Comixene 111, 2011)

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