GEGEN DEN STROM

Yoshihiro Tatsumi

Originaltitel: Gekiga Hyōryū

Erstveröffentlichung: Seirinkogeisha (Japan)

Deutsche Ausgabe: Carlsen 2012

Ehrung: Osamu Tezuka Cultural Award (2009)

Die Manga-Historie ist in der westlichen Welt nach wie vor nur in Grundzügen bekannt, erst heute – eineinhalb Jahrzehnte nach dem Beginn des Manga-Booms Ende der Neunzigerjahre – werden auch vereinzelte Schlüsselwerke und Klassiker entdeckt und übersetzt. Dazu gehören Werke von Osamu Tezuka, den die Japaner „manga no kamisama“, den „Gott der Mangas“, nennen – oder die aus der Feder von Yoshihiro Tatsumi.

Tatsumi (*1935) begann schon als Jugendlicher, seine eigenen Mangas zu zeichnen, und natürlich war auch für ihn Tezuka das leuchtende Idol. Bis der Gedanke in ihm wuchs, mit Comics auch ganz anders erzählen zu können. Bisher waren Mangas überwiegend humorvoll, und selbst in abenteuerlichen Geschichten agierten ins Komische verzerrte Figuren. Tatsumi schwebte eine ganz andere, realitätsnähere und „erwachsenere“ Erzählweise in einer naturalistischen Ästhetik vor, und so wurde er zum Pionier des zunächst subkulturellen gekiga; diesen Begriff – „dramatische Bilder“ – prägte er 1957 in Abgrenzung zum herkömmlichen Manga („spontane Bilder“), und damit brach für den japanischen Comic eine neue Zeit an.

Wie sich dieser neue Stil formte, gegen welche Widerstände Tatsumi mit seiner Vision anzukämpfen hatte, das lässt sich nun alles in einer Comic-Autobiografie mit eindrucksvollen 856 Seiten nachlesen, die Tatsumi 2008 im Alter von 73 Jahren vorgelegt hat. Gegen den Strom beginnt mit Japans Stunde null, der Kapitulation Kaiser Hirohitos am 15. August 1945, und reicht bis zu den gesellschaftlichen Umbrüchen in den Sechzigern. Zwischen diesen Eckpunkten rekapituliert Tatsumi, mitreißend, höchst aufschlussreich und in wunderbaren Bildern, eine kurze Spanne der japanischen Geschichte, vor deren Hintergrund sich der Manga von Grund auf wandelte: Pflichtlektüre! ACK

(Paul Gravett, Hg.: 1001 Comics, die Sie lesen sollten, bevor das Leben vorbei ist, Edition Olms, Zürich 2012)

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