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GREEN LANTERN Dennis O’Neil – Neal Adams
Es war eine einfache Frage, doch Green Lantern, der sonst auf alles eine Antwort hatte, musste passen. „Ich habe
davon gehört, was Sie für die Blauhäutigen getan haben“, sagte der alte schwarze Mann, die Hände tief in den ausgebeulten
Taschen seiner verschlissenen Jacke vergraben. „Und wie Sie auf einem anderen Planeten denen mit der orangefarbenen Haut
geholfen haben. Auch für die mit der violetten Hautfarbe haben Sie sich eingesetzt. Nur um die mit der schwarzen Haut
haben Sie sich nie gekümmert. Ich wüsste gerne, warum.“ Green Lantern sah betreten zu Boden: „Ich ... weiß es nicht ...“
Seit dreißig Jahren schon stand die grüne Leuchte, die der in Verlegenheit geratene Superheld als Markenzeichen auf der
Brust trug, für den Kampf gegen Verbrechen und Ungerechtigkeit. Auf den Einfall, Aladins Wunderlampe mit Superman zu
kreuzen, war der Zeichner Mart Nodell in den Kindertagen der comic books gekommen, und Bill Finger, einer der beiden
Väter von Batman, schrieb die Storys um einen Alan Scott, der im Juli 1940 in der Ausgabe 16 von All-American Comics
erleuchtet wurde. Die Idee war abstrus – ein Ring machte den butterblumenblonden Ingenieur gegen Kugeln immun und
verlieh ihm Superkräfte; er hatte ihn aus dem Splitter einer Zuglaterne gefertigt, an der er ihn alle vierundzwanzig
Stunden aufladen muss, die wiederum aus dem Metall eines sprechenden Kometen geschmiedet war, der „vor langer Zeit“
in China aufklatschte –, trotzdem zählte Green Lantern bald zu den populärsten Serien der 1940er Jahre. Aber als die
Leser das Interesse an kostümierten Kraftprotzen verloren und das große Superhelden-Sterben einsetzte, half auch die
Wunderlampe nichts, 1951 musste Alan Scott sein Kostüm einmotten.
Acht Jahre später wollte es Julius Schwartz, Redakteur bei DC Comics, noch einmal probieren und ließ Green Lantern,
zunächst als Neuzugang seines Superhelden-Kollektivs Justice Society, wieder auferstehen. Allerdings trug den magischen
Ring nun der Testpilot Hal Jordan, und auch das Kostüm war schnittiger geworden – zur Erklärung wurde eine wilde Theorie
von Parallelwelten geboten, in denen die DC-Helden fortan in verschiedenen Inkarnationen existierten. Der neue Green Lantern
kam an, schon im August 1960 machte er sich mit einer eigenen Heftreihe selbständig. Jordan verfügt über die gleichen
Superkräfte wie sein Vorgänger, steht nun aber im Dienst eines außerirdischen Wächter-Rates, der universumweit 3.599
weitere Green Lanterns dirigiert. Als intergalaktischer Marshal ist er dafür zuständig, dass in dem Weltraumquadranten,
in dem die Erde kreist, alles seine Ordnung hat. Zehn Jahre schon erfüllte er seine Mission, doch nun stand er einem
alten Mann gegenüber und wusste nichts zu sagen.
Green Lantern war zufällig über diesen verslumten Teil von Star City hinweggeflogen, als er unter sich sah, wie sich
eine Straßengang über einen Passanten hermachte. Der entpuppt sich nach Green Lanterns Einschreiten allerdings als
skrupelloser Spekulant, der das gesamte Viertel niederreißen und dessen Bewohner obdachlos machen will und dabei selbst
vor Mord nicht zurückschreckt. In den heruntergekommenen Häusern zeigt Green Arrow, zuständig in Star City, seinem
Superheldenkollegen, „how the other half lives“ – ein Verweis auf die berühmte Fotoreportage, mit der Jacob Riis 1890
das Elend in den Slums von New York dokumentiert hatte. „Wir waren eine rebellische Generation, die die politischen
Missstände anprangerte, und ich fragte mich, ob sich meine Arbeit als Comic-Autor mit den Themen verbinden ließe, über
die ich journalistisch arbeitete“, erinnerte sich Dennis O’Neil später. „Wäre es möglich, die Probleme zu behandeln, die
das Land aufwühlten, und dennoch gute Geschichten zu erzählen? Spider-Man und die anderen neuen Marvel-Helden hatten
Green Lantern zugesetzt, das Heft stand kurz vor dem Aus, als mich Julius Schwartz fragte, ob mir etwas einfiele. Es
gab nichts zu verlieren.“
Im April 1970 übernahmen Dennis O’Neil und Neal Adams das Heft und stellten Green Lantern den cholerischen Bogenschützen
Green Arrow zur Seite, ebenfalls ein generalüberholter Veteran aus den Vierzigerjahren. „Green Lantern war quasi ein
Cop und Vertreter der Obrigkeit“, so O’Neil. „Wir brauchten einen Gegenpol.“ O’Neil lieferte packend geschriebene
Sozialreportagen, in denen es um Habgier, die Zerstörung der Umwelt, Sekten, Rassismus, Armut und Korruption ging,
und Adams inszenierte sie in einem atemberaubenden Naturalismus: Wenn Green Lantern durch die Straßen sauste, meinte
man förmlich einen Luftzug zu spüren. Und man sah den Dreck, den er aufwirbelte.
O’Neil brannte ein weiteres Thema unter den Nägeln, Drogenmissbrauch, doch Schwartz winkte ab: Die Comics Magazine
Association of America (CMAA) bereitete gerade eine Modifizierung des Comic Codes vor, und er wusste, dass ein neuer
Paragraph in Arbeit war, der die Darstellung von Narkotika untersagte. Als dann jedoch Marvel im Mai 1971 mit Rückendeckung
des Gesundheitsministeriums drei Spider-Man-Hefte, in denen es um Rauschmittel-Konsum ging, einfach ohne das CMAA-Siegel
veröffentlichte, gab Schwartz grünes Licht. Die Story Snowbirds Don’t Fly, die ab August 1971 in den Green Lantern-Heften
85 und 86 erschien, wurde zum dramatischen Höhepunkt der Serie. Das Cover der Ausgabe, in der Green Arrow entdeckt, dass
selbst sein Mündel Speedy an der Nadel hängt, schockte mit einer überdimensionalen Spritze vor einer Collage aus leeren
Gesichtern mit leeren Augen.
Es hatte mit einer einfachen Frage begonnen, doch das Interesse der Leser an den Antworten, nach denen Green Lantern und
Green Arrow suchten, hielt sich in Grenzen. Obwohl es an Kritikerlob nicht mangelte, wurde Green Lantern im April 1972
eingestellt. Aber das Comic-Heft war nicht mehr dasselbe wie noch zwei Jahre zuvor.
Dennis O’Neil wurde am 3. Mai 1939 in Clayton, Missouri, geboren. 1965 wurde er Redakteur bei Marvel, schrieb
bald aber überwiegend für die Hefte des Verlags Charlton. Eindrucksvoll geriet ihm Children of Doom, die beklemmende
Schilderung einer Welt nach dem Big Bang. 1968 wechselte O‘Neil zu DC, schrieb etliche Superheldenserien und übernahm
1970 Batman und Green Lantern: Die Geschichten, die während der nächsten zwei Jahre zusammen mit Neal Adams entstanden,
wurden zum Meilenstein in der Geschichte der comic books. Anschließend war O’Neil einer der maßgeblichen Autoren von
Superman, Wonder Woman und Captain Marvel. Er hat zudem mehrere Science-Fiction-Romane sowie 2001
The DC Comics Guide to Writing Comics veröffentlicht.
Neal Adams kam am 6. Juni 1941 auf Governor’s Island in New York zur Welt. Nach einem Studium an der
School of Industrial Arts assistierte er 1959 drei Monate bei dem Zeitungsstrip Bat Masterson, zeichnete noch im gleichen
Jahr für die Comic-Hefte des Verlags Archie und von 1962 bis 1966 den Strip Ben Casey nach einer Fernsehserie über einen
jungen Arzt. 1967 begann Adams für DC zu arbeiten und setzte die Serie Deadman fort, die er mit seinem filigranen Strich,
dynamischen Layouts und naturalistischen Bildkompositionen zu einer der aufregendsten Superheldenreihen ihrer Zeit machte:
Die Fans waren begeistert, Hefte mit Titelbildern von Adams verkauften sich überdurchschnittlich, und bald gestaltete der
Newcomer Cover für alle wichtigen Reihen des Verlages, inklusive Superman. 1970 übernahm er Green Lantern und Batman,
beide mit Dennis O’Neil als Autor, und zeichnete darüber hinaus Serien wie X-Men, The Avengers und Conan für Marvel.
Mit seinem Engagement für die Rechte der Zeichner eckte Adams auch an; Mitte der 1970er Jahre wandte er sich von der
Heft-Branche ab und konzentrierte sich auf sein Werbestudio Continuity. Erst 1981 meldete er sich in der Comic-Welt
zurück, doch seine neuen Arbeiten wie die Abenteuer der Öko-Superheldin Ms. Mystic stießen auf wenig Begeisterung. 2001
erschien die von Adams als Lebenswerk bezeichnete graphic novel A Conversation Between Two Guys in a Bar, in der es um
nichts Geringeres geht als die Entstehung der Welt.
(aus Andreas C. Knigge: 50 Klassiker Comics. Von Lyonel Feininger bis Art Spiegelman, Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 2004)

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